Es gibt so Menschen wie mich, die gerne mehr über sich erfahren bzw. erarbeiten möchten. Auf der Suche nach interessanten Ratgebern bin ich dann zufällig über das Buch Entdecke deine innere Stärke von Brené Brown gestolpert. Gemeinsam mit der Subline Wahre Heimat in dir selbst und Verbundenheit mit anderen finden hat es mich irgendwie sofort angesprochen und ich wollte nun auch meine Stärke bündeln bzw. entdecken. Doch gefunden habe ich dann etwas ganz anderes bzw. es geht in diesem Buch um ein viel größeres Thema, das alle Menschen mit einbezieht – den optimalen Umgang mit uns, unseren Gedanken, unserer Umgebung, anderen Menschen und anderen Meinungen.
“Irgendwann haben wir einfach angefangen, uns mit Menschen zu umgeben, die die gleichen Leute blöd finden wie wir. Das ist keine Nähe. Das ist das bekannte >Du bist entweder für uns oder gegen uns<.”
Brené Brwon ist vielleicht schon einigen in Sachen Selbstfindungsratgeber ein Begriff. Sie beschäftigt sich mit Themen wie Verletzlichkeit, Scham, Authentizität, hat dazu schon einige Bücher geschrieben und auch ihr TED-Talk über die Kraft der Verletzlichkeit wurde schon millionenfach gesehen. In ihrem neusten Ratgeber geht es nun im das Thema innere Stärke und Verbundenheit.
Gerade der Wunsch irgendwo dazuzugehören treibt uns an. Egal ob nun Freundeskreise, Beruf, Sportklub, Spielrunde… Gemeinsamkeiten verbinden auf vielfältigste Weise. Und doch, fällt es den Menschen gerade heutzutage immer schwerer, sich nicht einsam und ausgegrenzt zu fühlen. In einer Zeit wo alles immer schneller wird und jeder scheinbar mehr mit sich selbst zutun hat und sich z.B. durch Podcasts, Streaming und Co auch unterwegs von der Außenwelt ablenkt. Und wenn es dann einmal dazu kommt, dass man etwas mit anderen unternimmt, dann versuchen wir es ihnen häufig recht zu machen. Doch gerade das ist falsch, denn so beginnen wir uns zu verbiegen und am Ende sind wir dann mit uns selbst eher unglücklich. Brené reduziert den Wunsch nach Verbundenheit und Zugehörigkeit aufs Vertrauen. Sich selbst und anderen vertrauen ist die Basis, die den Umgang mit uns und unseren Mitmenschen beeinflusst und uns mehr zusammenrücken lässt. Dabei ist es dann nicht mal so wichtig, ob wir uns in zahlreichen Punkten ähneln oder alles gemeinsam für gut oder schlecht befinden. Entscheidend sind da eher die sieben recht einfachen Prinzipien – Grenzen, Verlässlichkeit, Verantwortung, Vertraulichkeit, Integrität, Nicht-Urteilen und Großzügigkeit. Nur wenn wir diese Punkte erfüllen und gewillt sind, Unsinn zu entlarven sowie zivilisiert miteinander umgehen, haben wir auch die Möglichkeit unseren eigenen Weg zu gehen und Mut zu haben aus den bestehenden Strukturen und Abhängigkeiten auszubrechen. “Starker Rücken, weicher Bauch, wildes Herz” ist das, wohin sie uns mit diesem Ratgeber führen will und nimmt uns so mit Hilfe einiger persönlicher Erlebnisse, Begegnungen, Ratschlägen mit auf den Weg in die Wildnis.
“Wenn wir muslimische Menschen auf Terroristen reduzieren oder Mexikaner auf >Illegale< oder Polizisten auf >Schweine<, sagt das über die Leute, die wir angreifen, gar nichts. Darüber, wer wir selbst sind und wie rechtschaffen wir handeln, sagt es allerdings eine Menge.”
Auch, wenn es zunächst ganz anders ist, als erwartet, so fand ich diesen kurzen Ratgeber in vielerlei Hinsicht sehr bewundernswert und hilfreich. Brené Brown erzählt sehr leicht und locker von ihre Prinzipien und Gedanken und geht auf zahlreiche Hindernisse der heutigen Zeit ein. So spielen z.B. auch Privilegien und Diskriminierung eine Rolle, aber nicht in der Hinsicht, dass wir nun aufeinander losgehen und Kämpfe austragen müssen, sondern dass wir mit dem, was wir sagen, machen und planen einfach nur bewusst umgehen sollen. Wir müssen uns eben nicht selbst die Freude am Leben nehmen, alles beachten und uns damit auch irgendwie einschränken. Richtiger wäre es einfach dankbarer zu sein und bewusst mit unseren Möglichkeiten und Privilegien umzugehen. Und gerade das ist der Punkt, den ich in der heutigen Zeit so extrem vermisse. Fast täglich führen Menschen große Diskussionen, analysieren und finden beinahe schon in jedem Wort etwas Diskriminierendes, auch wenn sie in dem Moment gar nicht selbst gemeint oder betroffen sind. Sie greifen einander an, erzählen Blödsinn, nur um selbst besser dazustehen, Verbündete zu finden oder eventuell auch einer Gruppe anzugehören. Und am Ende fragt man sich dann: “Warum?”. Warum kann man nicht gemeinsam etwas erreichen um einen besseren Umgang zwischen den Menschen zu schaffen? Und warum treibt man Keile zwischen Menschen verschiedener Ansichten und Meinungen? Es geht schon lange nicht mehr ums Weltverbessern. Es ist eigentlich eher ein Kampf ums Rechthaben und ‘Siegen’.
Und gerade dann ist es toll, noch einmal von einer anderen Sichtweise zu lesen. Brené schafft es sehr ruhig, gar freundschaftlich von ihren Ansichten zu erzählen und gibt mit verschiedenen Zitaten noch einmal zusätzlich Mut, den eingeschlagenen Weg zu verlassen und eigene Ansichten zu haben, um das Leben am Ende für uns selbst lohnenswert zu machen. Also wenn man es noch nicht rausgehört hat, ich bin tatsächlich begeistert und würde mir wünschen, dass dieses Buch noch ganz viel Beachtung und eifrige ‘Umsetzer’ findet. Ich habe zumindest sehr viel mitnehmen können, versuche nun mehr ich selbst (ohne die anderen) zu sein und vielleicht habe ich so auch ein bisschen mehr an innerer Stärke gewonnen.
Einziger Kritikpunkt, zwischenzeitlich ist es dann leider doch etwas stark amerikanisch, zumal es auch um Demokraten und Republikaner geht. Als Beispiel ist es zwar okay, aber in der Übersetzung irgendwie auch so ein bisschen fehl am Platz.
“Ich glaube an eine Welt, in der Menschen durch Kunst und Sprache wieder zueinanderfinden können. Statt einander aus der Ferne anzuschreien und in der Not die Hilfe zu verweigern, werden wir nur den Mut finden, füreinander einzustehen.”
Brené Brown – Entdecke deine innere Stärke
Aus dem Amerikanischen von Heide Lutosch.
kailash.
192 Seiten. 20 Euro. Hardcover.
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