Alex hat es drauf sich bei anderen durchzuschnorren, sich einen Lebensstil anzueignen, der gar nicht zu ihr und ihrem Background passt, und allen mit der Zeit mehr Schaden als Freude zuzufügen… bis eben das selbst erbaute Kartenhaus zusammenfällt. Schon in NewYork versuchte ihre WG sie zu meiden, bei anderen hatte sie Schulden, man lauerte ihr vor der Haustür auf und Alex suchte dringend nach einem Ausweg aus ihrer Misere. Und dann war er plötzlich da. Sie fand Simon, ihren wohlhabenden, deutlich älteren Retter mit einem Sommerhaus in den Hamptons. “Und es tat gut, jemand anderes zu sein. Zu glauben, und sei es nur einen halben Moment lang, die Geschichte sei anders. Alex hatte sich ausgemalt, was für eine Person Simon gefallen würde, und das war die Person, die Alex ihm vorgab zu sein. Alex’ ganze abgeschmackte Vergangenheit wurde herausgelöst, bis es sogar ihr selbst allmählich so vorkam, als wäre nichts davon je passiert.” Sie lebte sich ein, umgarnte ihn, passte sich an. Er machte ihr Geschenke, kaufte ihr teure Kleider, vieles, was sie älter als 22 wirken lassen sollte und sie schenkte ihm dafür sich selbst und ihre Aufmerksamkeit. Doch dann passieren verschiedene Kleinigkeiten, Unfälle, die Simon wieder in Ordnung bringen würde… zumindest glaubt sie es, bis es irgendwann einfach zu viel wird und er sie vor die Tür setzt.
“Er war sauer auf sie, ja. Genau in diesem Moment. Aber sie kannte Simon. Den Teil seiner Person, der einsam und gierig war und Angst hatte, nicht die Dinge zu kriegen, die er wollte – er würde anfangen, sie zu vermissen. Schon sehr bald.”
Doch ist es wirklich so? Alex versucht ihm etwas Zeit zu geben, sich weiterhin so durchzuschlagen, nicht aufzufliegen, sich zugedröhnt Menschen aufzudrängen, mit ihnen Zeit zu verbringen oder besser gesagt eine Unterkunft zu finden. Sie kann nicht zurück in die Stadt, sie weiß, dass man dort auf sie warten würde. “Die Party [bei Simon] war schon in wenigen Tagen. Dies war nur eine Wartezeit, damit Simon sich beruhigen konnte, eine Pause. Dann würde alles wieder sein, wie es war.” So ihr heimliches Mantra. Bis zur Party muss sie es schaffen und dann wird sicher alles wieder gut…
“Die Einladung” von Emma Cline finde ich wahnsinnig faszinierend. Nicht nur, weil Alex eigentlich eine sehr unsympathische Protagonistin und Hochstaplerin ist und sie es doch immer wieder schafft, die Menschen um sie herum zu überzeugen, sowie die Leser*innen in ihren Bann zu ziehen. Sondern auch, weil man gerne Clines Geschichte folgt, auf das große Unglück wartet, das dank Alex’ Schauspiel, wieder und wieder nicht eintritt, und man ist mehr oder weniger sehr lange davon überrascht, dass eben nichts passiert. Alex versucht so lange wie möglich ihre Fassade aufrecht zu halten, versucht sich anzupassen, durchzuschlagen, einen gewissen Lebensstil vorzugeben… alles, was sie eigentlich so gar nicht hat und ist. Und das funktioniert in einer Welt, in der sich alles um die eigene Persönlichkeit dreht, scheinbar sehr gut. So sieht man sich als Leser*in mit einem sehr interessanten, gesellschaftlich-menschlichen Phänomen konfrontiert. Menschen, wie Alex, die um jeden Preis ein wohlhabenderes Leben leben wollen, vieles nur vorgeben und damit im Leben sehr weit kommen, vielleicht aber auch sich selbst hintergehen, prallen auf Lebensrealitäten einer vermögenderen Gesellschaftsschicht und damit auf Menschen, die sich vieles leisten können, sich doch sehr einsam fühlen und bereits ihren Kindern ein sehr egozentrisches Weltbild vermitteln, während ärmere Menschen komplett ausgeblendet werden, in ihren Augen gar verschwinden. Und die Grenzüberschreitungen, ihr steter Kampf um Simons Gunst, die Macht von Manipulationen, der Täuschung, vielleicht sogar dem bewussten getäuscht werden… ein sehr interessantes, sommerliches Schauspiel, das zeitgleich sehr viel über das bestehende Vermögens-/Machtgefälle und die Abhängigkeiten in der Welt offenbart. Und über den Menschen selbst. Was macht eine Geschichte glaubhaft? Kann man wirklich seine eigene Herkunft und seinen Werdegang überschreiben? Wie lange kann man dieses Spiel aufrecht erhalten? Und was sagt das alles über unseren doch recht oberflächlichen Umgang miteinander aus?
“Im Wasser war sie genau wie alle anderen. Nichts Ungewöhnliches an einer jungen Frau, die allein im Meer schwamm. Unmöglich zu sagen, ob sie hierhergehörte oder nicht.”
Cline gibt in ihrem Roman keine wirklichen Antworten, was es bedarf um ‘hierherzugehören’, sie schildert mehr Alex k(r)ampfhaftes Überwasserhalten, bis eben zu jener Party, die alles retten soll. Und das ist eine wirklich sehr überzeugende Beobachtung, wenn auch die Lösungswege hin und wieder von ein paar fragwürdigen Ideen begleitet werden. Ich bin jedenfalls angefixt und möchte nun unbedingt mehr von Emma Cline; hier in der Übersetzung von Monika Baark, lesen.
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Emma Cline – Die Einladung.
Aus dem Englischen von Monika Baark.
Hanser.
318 Seiten. 26 Euro. Hardcover.
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