Das Schicksal ist wie das Leben immer eine Überraschung, wenn nicht sogar ein Wunder. Und Wunder gibt es tatsächlich ständig um uns herum, auch wenn wir die kleinen ihrer Art häufig auf der Suche nach dem großen Einen übersehen, so sind sie da, passieren mit jedem Atemzug, jedem Gedanken oder gar jedem Schmerz. Doch der Mensch will immer mehr verstehen, den Dingen auf den Grund gehen und am liebsten auf alles selbst Einfluss nehmen. Ich könnte nun unzählige Beispiele aus der heutigen Zeit anführen. Die Wissenschaft, die Medizin, die Weltpolitik oder das Wunschdenken einzelner bietet da recht viel Material und doch bleibt es am Ende häufig der Zufall, der über Glück und Pech jedes Einzelnen entscheidet.
“Alles im Leben hat seine Zeit. Begegnungen und Abschied. Glück und Unglück, Finden und Verlieren. Doch am Ende, und davon bin ich überzeugt, findet das Leben einen Weg, um alles wiedergutzumachen. Manchmal auf ganz wundersame Weise.”
Clara Maria Bagus hat sich in Die Farbe von Glück vielen essentiellen Fragen über das Schicksal, das Glück, die Liebe, das große Ganze und das Ankommen gestellt. In ihrem Roman geht es um die Geschichte dreier Familien und einen ‘Eingriff’ ins Schicksal, der das Leben aller auf wundersame Bahnen lenkt. Louise und Jules, ein Paar, dem ihr sehnlichster Wunsch nach einem Kind schon mehrfach verwehrt wurde. Eine Erbkrankheit entriss ihnen bereits drei Mal kurz nach der Geburt ihr Kind. Doch dieses Mal muss es einfach gut gehen. Es ist Louises letzte Chance, eine weitere Schwangerschaft würde ihr hagerer Körper nicht mehr überleben. Es muss gut gehen.
Als dann ein weiteres, sterbenskrankes Mädchen das Licht der Welt erblickt, sieht Jules keinen anderen Ausweg und zwingt die Dienst habende Krankenschwester Charlotte dazu, ihr Kind gegen das gesunde Mädchen einer anderen Familie zu tauschen. Als einer der angesehensten Richter der Stadt, droht er ihr damit, ihr sonst ihren Pflegesohn Antoine zu entziehen. Dieser hat bereits in seinem jungen Leben großes Leid erfahren und bedeutet Charlotte einfach zu viel, um ihn jetzt einfach so aufzugeben. Sie kommt der verzweifelten Bitte nach, gibt ihren Job als Krankenschwester auf und begibt sich mit Antoine auf die Reise in ein neues Leben. Doch das vermeintliche Glück ist nur von kurzer Dauer. Bereits kurz nach der Tat bereut Jules was er getan hat und muss nun mit einem Geheimnis leben, das ihn nicht nur quält und förmlich zerreißt, sondern auch seine Beziehung auf eine harte Probe stellen wird.
“Ob es das Leben gut mit uns gemeint hat oder nicht, wissen wir niemals im Moment selbst, sondern erst viele Jahre später. Manchmal kann sich ein Schlag des Schicksals im ersten Moment schlimm anfühlen und sich im Nachhinein als Glücksfall erweisen. Das Leben nimmt die sonderbarsten Wendungen.”
Die Bücher von Clara Maria Bagus sind für mich immer wieder etwas ganz besonderes. Vom Mann, der auszog, um den Frühling zu suchen habe ich damals schon sehr gerne gelesen und das Buch hat mich durch eine nicht gerade einfache Zeit begleitet. Und ein ähnliches Gefühl hatte ich nun auch mit ihrem neuen Buch. Ihre Romane sind immer so eine Mischung aus einem Lebensratgeber mit zahlreichen Weisheiten und Impulsen, einer begleitenden Geschichte und einem Hauch Spiritualität. Alles was im Leben passiert, auch wenn wir den genauen Grund für unser momentanes Leid oder unsere Zweifel nicht immer erkennen, kann sich positiv auf unser Leben auswirken. Manchmal bedarf es einer anderen Sichtweise oder man benötigt einfach ein bisschen Zeit und Klarheit. Sich im Leben zu finden, mehr zu leben und auch den Tod zu akzeptieren sind die großen Themen in unser aller Leben, mit denen wir uns von Zeit zu Zeit auseinandersetzen (müssen). Und ja, es ist nicht einfach und doch schafft gerade diese Autorin es immer wieder mit ihren Geschichten eine unglaubliche Wärme und irgendwie auch Trost auszustrahlen. In Die Farbe von Glück – Ein Roman über das Ankommen dreht sich vieles um das unwiderrufliche Schicksal, die Schuld und das Gewissen. Es geht darum Dinge aus mehreren Perspektiven zu sehen, andere und ihr nicht immer ethisch und moralisch korrektes Verhalten zu verstehen, Geschehnisse anzunehmen, ohne zu bewerten. Verstehen, der wahrscheinlich größte Schlüssel für ein friedvolles Miteinander. Verstehen, um bei sich und im Jetzt anzukommen.
Wolfgang Herles sagte über dieses Buch “So zärtlich hat noch niemand vom Glück erzählt, das aus Unglück wächst. Eine federleicht und doch psychologisch raffinierte Reise ins magische Reich der Seele. Traurig und tröstlich zugleich. Ein großes Geschenk.” Und dem hätte ich dann beinahe auch nichts mehr hinzuzufügen. Ich habe mir in diesem Buch viele Stellen und Weisheiten markiert, habe das Gelesene häufig sehr geliebt, gehofft und auf einzelne Situationen meines Lebens übertragen. Clara Maria Bagus hat mich mit ihrer Geschichte bewegt, mit ihren Charakteren sensibilisiert und auf andere Ansichten, Schicksalsfälle, Nöte aufmerksam gemacht – eben jenes, das man aufgrund seines eigenen Denkens und vielleicht auch Leids, häufig aus den Augen verliert.
“Wir sehen nur, was bereits in uns ist. Und das, was unmittelbar vor uns liegt. Auch ich bin ein solcher Blindgänger. Und das Traurige ist, dass wir die richtigen Einsichten meist erst haben, nachdem wir sie gebraucht hätten.”
Auch wenn, diese Geschichte so durch und durch stimmig und toll ist, so haben mich gerade die letzten 50 Seiten etwas enttäuscht, wobei selbst das recht hochgegriffen ist. Die Auflösung und das Ende waren für mich zu ‘zufällig’ gewollt. Obwohl man bereits seit dem Weggang Charlottes und der stets wachsenden Reue von Jules ein erneutes Aufeinandertreffen erwartet, so war es in diesem Moment, mit all seinen Auswirkungen, doch ein Hauch zu viel… aber selbst das, kann man dann am Ende auch irgendwie verzeihen. Begegnungen können so viel auslösen. Manchmal unbedacht, manchmal hinterlassen sie auch etwas in uns, was uns ein Leben lang begleiten wird. Wir alle beeinflussen uns und unsere Leben ständig gegenseitig. Und Clara Maria Bagus Talent ist es eben, gerade im richtigen Moment, die richtigen Worte zu finden. Ihr Roman hat jeden Zweifel und Gedanken, gerade zu dieser sehr komischen Zeit, etwas optimistischer und wärmer gemacht. Ein tolles Buch, für alle Denker, die dem Leben vertrauen, ans Schicksal glauben und mal so etwas wie Trost brauchen.
“Um dort anzukommen, wo wir im Leben hinwollen, brauchen wir keinen Schirm, sondern den Regen.”
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Clara Maria Bagus – Die Farbe von Glück.
Piper.
352 Seiten. 18 Euro. Hardcover.
___weitere Romane der Autorin:
Der Mann, der auszog, um den Frühling zu suchen. Allegria. 2016.
Der Duft des Lebens. Ullstein. 2018.
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