“Andere Leute” – ein explosives Schauspiel voller Gegensätze, Hoffnungen und Abgründe

“Es ist Montag. Der Himmel da draußen wie Blei, auf dem Teppich die Nadeln vom Weihnachtsbaum, alles dreckig, und aus der Traum.”

Mit diesen Worten beginnt Dorota Maslowskas Roman “Andere Leute”. Dieses Buch ist ein Ausschnitt, wie ein Blick in ein anderes Leben, viel drastischer, abgründiger, aufgewühlter, gewaltbereiter, als meins jemals sein könnte. Vielleicht ist es den Umständen geschuldet. Kamil wohnt noch bei seiner Mutter in einem Warschauer Plattenbau. Der Ton ist dort gewöhnlich rauer, härter und ein Stück weit aggressiver. Kamil träumt davon, sich irgendwann einmal eine Karriere als Rapper aufzubauen. Songs und erste Plattenideen hat er bereits, aber bis daraus wirklich was wird, dealt er eben weiter mit Rauschgift und jobbt als Klempner. Dabei trift er auf Iwona und ihren Mann Maciej. Iwona ist eine seiner Kundinnen, aber kurzweilig auch mehr. Sie ist unglücklich in ihrer Beziehung, denn ihr Mann hat eine Geliebte und auch sonst scheint es kaum noch intime Momente zwischen ihnen zu geben. Sie verführt Kamil, sofern man das so sagen kann, denn sie bezahlt ihn und erhofft sich scheinbar irgendwie eine heimliche ‘Aufmunterung’. Aber Kamil trifft ohne es zu ahnen, auch auf ihrem Mann…

“MUTTER: “Wieder treibst du dich rum in der Stadt. Hier ist kein Hotel. Ich hab es satt, dass du nachts mal schnell nach Hause kommst, du arbeitest nicht, lernst nichts. Da, eine Mahnung von Play, anderthalbtausend.”
“Mama, gibt’s was zu futtern?”
“Ja.”
“Aber außer Marmelade?”
“Dann nichts.”

“Andere Leute” ist ein kurzes, verwirrendes, aber auch bedrückendes Schauspiel voller Gegensätze, Hoffnungen, Abgründe und Perspektiven. Diese kurzweilige Geschichte hat mich sehr mitgenommen, aber teilweise auch ziemlich aufgeregt. Ich könnte nun auch einfach sagen, es sei ein typisch polnischer Roman, doch in diesen 155 Seiten steckt weitaus mehr. Die Geschichte lebt von Wirrungen, rauer Direktheit und düsterer Aggressivität – manchmal so typisch melancholisch, aber dann auch wieder recht provokant und brutal. Im Klappentext spricht man von einem “Kalaidoskop aus Liebe und Betrug, Begierde und Eitelkeit” und das trifft es dann auch wie die Faust aufs Auge. Es ist jedoch so ein Roman, der einem Faustschlag gleicht und doch keiner ist. Maslowska lenkt den Blick in verschiedene Millieus und verwebt diese in einem einzigartigen Bild aus Lust, Verlangen und einer Art Hoffnung, aber auch Akzeptanz. Akzeptanz für das jetzige Leben, nahe dem Abgrund, dem Ghetto, der Brutalität. Allerdings auch für den vornehmeren Schein und den Verlust, der Eitelkeit. Dieses Buch umfasst nur wenige Tage im Leben und in den Gedanken der Hauptpersonen und doch ist es so ein sehr bewegendes Abbild vom Rand einer ganzen Gesellschaft.
Daher möchte ich euch dieses dann Buch dann wirklich auch recht nahe legen, allerdings eher für den Eindruck/das Gefühl und weniger für die Story an sich, denn am Ende bleibt von dem was man gelesen hat, recht wenig übrig. Aber dieses beklemmende Gefühl, dieser raue, einfühlsame und doch provokante Ton, der manchmal wie ein Rap daherkommt, bleibt und hallt eine ganze Weile nach… gerade dafür hat sich dieses Buch dann auch wirklich gelohnt. Eine Verfilmung ist bereits geplant und daher bin ich nun auch sehr gespannt was Alcatraz Films bzw. Warner Bros. unter der Regie von Aleksandra Terpińska aus diese Vorlage machen. Ich freu mich und ihr dann hoffentlich mit!

Dorota Maslowksa – Andere Leute
Aus dem Polnischen von Olaf Kühl.
Rowohlt Berlin.
160 Seiten. 18 Euro. Hardcover.

17. Februar 2020

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