Wenn Birnen ein Leben symbolisieren

Georgien, ein Land das gerade in diesem Jahr, dank der Buchmesse in aller Munde ist. Zahlreiche Autorinnen und Autoren überfluten nahezu den deutschen Raum und bringen dabei eine ganz andere Form von Kultur, Erinnerungen und Literatur mit sich und gerade dabei fällt auf, dass dieses kleine Land, eine Menge erlebt hat. In der Literatur zeigt sich dies häufig in Form hoffnungsloser, düsterer Zeilen und doch schlummert in ihnen stets ein kleiner Funke Optimismus.
Ein auch eher schwerer bzw. wuchtiger Roman ist für mich “Das Birnenfeld” von Nana Ekvtimishvili. Mit ihrer Geschichte über ein Internat an der Kertsch-Straße entführt sie uns in das Georgien der 90er Jahre.

 

“Lela kann sich nicht mehr daran erinnern, wann oder wie ihr Leben im Internat begonnen hat. Wo ist sie zur Welt gekommen? Wer war ihre Mutter? Von wem wurde sie verlassen? […] Auf all diese Fragen gibt es keine Antwort…”

 

Hier gibt es keine Helden. Das ganze Internat ist eine reine Abschiebeeinrichtung für Kinder, die sonst niemand haben will oder brauchen kann. Selbst die Lehrer können nicht mit ihnen anfangen und wären am liebsten ganz wo anders. Man nennt sie die “Debilen”, die geistig behinderten in Tbilissi. Lela ist die Stärkste in der Schule und Beschützerin aller. Ihr Hass auf den Geschichtslehrer ist riesig. Er vergeht sich an den jungen Mädchen, früher an ihr. Er muss sterben. Es gibt bereits Pläne und dann, dann wird auch sie verschwinden.
“Manchmal, wenn Lela Wano anschaut, denkt sie, das alles sei vielleicht nur Teil eines bösen Traums, und in Wirklichkeit sei ihr nie etwas passiert. Doch wenn Waskas Lächeln sich auf seinem Gesicht ankündigt, fährt ihr jedes Mal jenes entsetzliche Gefühl durch den Körper und ihr wird schlecht.”
Irakli, ihr ‘Bruder’, ihr Ziehkind in der ganzen Bande steht unter ihrem ganz besonderen Schutz. Lela unterstützt und kämpft für ihn wo sie nur kann, selbst wenn sie ihren Körper dafür anbieten muss. So lässt sie ihn Englisch lernen, obwohl er selbst mit dem Georgischen Probleme hat, begleitet ihn zu den wöchentlichen Telefongesprächen mit seiner Mutter, die ihn stets aufs neue vertröstet und ihn doch nie wieder sehen wird, treibt Geld auf, obwohl sie selbst kaum etwas besitzt … Eine neue Hoffnung flammt auf, als ein Ehepaar aus Amerika auf der Suche nach einem Adoptivkind ist. irakli in Amerika – so sein neuer Traum, der eines Tages wirklich wahr werden könnte.

 

“Nun stehen sie da, die Birnbäume, von allen verlassen, mit niedrigen, knorrigen, warzenbedeckten Stämmen und langen, ineinander verflochtenen Ästen, die fast bis zur Erde reichen. “

 

Das Birnenfeld, das schon im Buch selbst als alt, knorrig, überschwemmt dargestellt wird und dessen Bäume nur steinharte und wässrige Früchte tragen, stellte sich auch beim Lesen als harte Kost dar, die man nicht einfach mal so weglesen kann. Um es kurz zu sagen: Ich hatte mit diesem Buch wortwörtlich zu kämpfen. Dies liegt hier einfach nicht an der Dicke, denn mit seinen 221 Seiten ist dieses Buch schon noch eher ein Fliegengewicht in Sachen Roman, aber es hat es einfach in sich. Viel zu schwer sind die Worte und Taten, die in dieser Geschichte hindurchscheinen und angesprochen werden. Viel zu groß ist die stets mitschwingende Hoffnungs- und Perspektivenlosigkeit, sowie Ängste und der Wunsch nach Veränderung, die dann stets aufs Neue im Keim erstickt wird. Nana Ekvtimishvili verleiht den ‘Ausgesetzten’, den Verlassenen ihre Stimme. Ein Roman über das Mädchen Lela, dass einfach alles zusammenhält, betreut und mit ihrer Kraft und Stärke alles Leben am Laufen hält. Das Birnenfeld war für mich ein sehr eindrucksvolles Buch, mit dem Wunsch nach einem besseren Leben und zeigt, dass es gerade in diesem kleinen, noch eher unscheinbaren Land, eine Menge zu entdecken und aufzuarbeiten gibt. Nana Ekvtimishvili ist eine der Stimmen, die gerade dank der Buchmesse lauter werden, Stimmen die bislang im düsteren Wust des geschichtlichen Einflusses und Bewegung in dem Land untergingen. Georgien, ein Land, dass man wahrscheinlich nur aus Filmen wie “Plötzlich Prinzessin” kennt, hat auch literarisch einiges zu bieten und ich hoffe, dass dies in den kommenden Jahren noch weiter Gehör finden wird.

 

Nana Ekvtimishvili – Das Birnenfeld
Aus dem Georgischen von Ekaterine Teti und Julia Dengg
Suhrkamp.
221 Seiten. 16,95 Euro. Klappenbroschur.

//Leseexemplar. Vielen Dank an Suhrkamp.

10. Oktober 2018

1 Comment

  • Reply Der Wunsch nach Veränderung – Im Bann eines fremden Lebens [mit Verlosung] | booksandnotes 12. Oktober 2018 at 6:05

    […] betrübt. Gerade diese stets mitschwingende trostlose Vegetation und Schwere, die ich bereits bei “Das Birnenfeld” oder “Das achte Leben (für Brilka)” erlebt habe, macht diesen Roman so wahnsinnig […]

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