Was passiert, wenn man einem Künstler auf der Suche nach neuen Exponaten assistiert und dann selbst Teil einer aufwühlenden Inszenierung seiner selbst wird? Genauso ergeht es Frida in Denis Pfabes bemerkenswerten Debütroman “Der Tag endet mit dem Licht”.
“Jedem Künstler bedarf es eines gewissen Potenzials an Wahnsinn; (…) Adrian Ballon zum Beispiel darf definitiv als verrückt bezeichnet werden. Seine Kunst hatte etwas manisch Getriebenes und war so schnell teuer und erfolgreich geworden, dass niemand seinen Wahnsinn bemerken konnte. Oder wollte.”
Seine Kunst? Er sammelt Hausfragmente und stellt diese aus. Ursprünglich sollten sie gar keiner Ausstellung dienen, er wollte sie eher sammeln. nur für sich selbst, eingelagert in großen Kisten. Auf einer Entdeckungs- und Sammelreise durch den Mittleren Westen der USA sollte er nun von der eher unbekannten, deutschen Textilkünstlerin Frida Beier begleitet werden. Warum bleibt zunächst ungewiss. Eines Tages besuchte er sie und machte ihr ein Jobangebot von unbekannten Ausmaßen. Bei der Suche nach geeigneten Fenstern und Mauerstücken verschwindet Ballon scheinbar spurlos und überlässt Frida die Übermittlung zwischen ihm und seinen recht rauen Arbeitern. Das jähe Ende findet diese Reise allerdings frühzeitig mit Ballons Suizid im mitternachtblauen, geliehenen Ferrari. Auf seinem Schoss ein Bild von sich und Frida.
Wer nun denkt, ich hätte nun den ganzen Roman erzählt oder das Ende gespoilert, den kann ich beruhigen, denn die eigentliche spannende Geschichte beginnt erst mit Fridas Suche nach Antworten in Adrians Notizen, der möglichen Botschaft und den vielen aufgeworfenen Fragen um Ballons Leben, sowie gewissen Parallelen und Notizen zu Charles F. Urschels Entführung von 1933.
“Doch ich wusste sofort, ich würde es nicht tun. Ich wurde zu einem Teil des Projekts, das Adrian Ballon mit dieser Reise begonnen hatte, und ich wusste, dass ich nicht aussteigen konnte. Auch wenn ich keine Ahnung hatte, was für eine Rolle ich in dem Ganzen spielte,…”
Ratlos dazustehen und kein Wort zu finden, welches dieses Schauspiel aussagekräftig beschreiben könnte. Zu groß ist die Wucht, die mich am Ende komplett eingenommen und gefesselt hat. Zu groß das recht aufwühlend, unbequeme Ende und doch ein großartig inszeniertes Konstrukt einzelner aufeinander aufbauender Fragmente. Zunächst erinnerte mich dieses Buch an ein Kunstwerk. Der Vergleich mit einem Bild, in einem Museum hängend, oder thematisch passend einer Skulptur/Installation, die zunächst recht unscheinbar daherkommt, Faszination ausstrahlt, Fragen aufwirft und erst mit fortschreitender Betrachtung und Nähe die Hüllen ablegt und einen vereinnahmt, scheint mir nahe.
Björn Hayer von spiegel.de sieht in diesem Künstlerroman eine “ästhetische Großtat. Selten liest man Werke, die bis ins letzte Detail derartig fein ziseliert und stimmig elaboriert sind.” Zugegeben, ich musste diese Worte erst einmal googeln, dennoch kann ich dies in diesem Fall nur eins zu eins so übernehmen und hinzufügend sagen (sofern man es noch nicht gemerkt hat), dass dieser (Kurz)Roman mich, trotz meiner anfänglichen Verwirrtheit stark begeistert hat. Ich mag die Fragmente fiktiver Zeitungsartikel, Meinungen und Werksbeschreibungen innerhalb dieses Krimis, der kein Krimi ist und sich dennoch wie einer anfühlt. Erst ab dem Selbstmord des Künstlers Adrian Ballon wird nach und nach das Bild hinter der Inszenierung, sowie dessen Hintergründe und Botschaften der gesamten Aktion sichtbar und die Fassade der Kunst beginnt zu bröckeln.
Ich mag die klare prägnante Sprache, den Aufbau, das Ende, das Cover, die Aussage, die … Ich mag die Kunst in Form dieses Romans.
Denis Pfabe – Der Tag endet mit dem Licht
Rowohlt Berlin.
192 Seiten. 20 Euro. Hardcover.
Vielen Dank an Rowohlt Berlin für das Leseexemplar.
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