Krimi und Thriller sind für mich ja immer so eine Art Ausgleich. Gerade, wenn mich ein Roman sehr gefordert hat und ich nicht gleich in ein neues, ähnlich forderndes Abenteuer starten mag oder kann, schiebe ich etwas spannendes dazwischen. Doch die Qual der Wahl macht es da gar nicht so einfach… Auf Henri Fabers Ausweglos bin ich vor kurzem über ein Insta-Live mit ihm und Romy Hausmann gestolpert und war irgendwie sofort fasziniert. Die Grundidee, dass jemand bedroht wird und den Täter zu seiner Wohnung und Frau führen soll, dann aber aufgrund des Schlüssels zur Nachbarwohnung zwischen zwei Türen entscheiden kann und was dann folgt, finde ich gedanklich total spannend und gleichzeitig völlig perfide. Über das Unglück eines Menschen zu entscheiden, sich so oder so schuldig zu machen, ohne Ausweg… puh.
“Wenn Noah Klingberg wusste, dass Emma zu Hause war, hat er den Killer bewusst zu ihr geführt. Er hat eine wehrlose Frau einem Psychopathen ausgeliefert, vorsätzlich. Das ist Beihilfe zum Mord. Aber macht ihn das tatsächlich zum Monster? Zwei Schlüssel in seiner Hand, in der einen Wohnung Emma Falk, in der anderen seine Frau. Bekannte gegen Ehefrau – natürlich führt er den Angreifer nicht in die eigene Wohnung, jeder hätte so gehandelt.”
Wirklich? Vor einigen Jahren hielt eine Mordserie in Hamburg nicht nur die Stadt in Aufruhr, sondern ließ die Ermittlungen der zuständigen Kriminalbeamten immer wieder ins Leere laufen. Der berüchtigte Ringfinger-Mörder, so wie ihn die Medien damals tauften, treibt nun scheinbar wieder sein Unwesen. Vier Frauen hat er auf dem Gewissen. Vier Frauen, die hinterlistig in ihrer Wohnung mit einem Schnitt durch die Hauptschlagader am Hals getötet, mit weiteren Stichen versehen und dem Ringfinger beraubt wurden. Doch dieses Mal ist einiges anders, denn der Täter hat zusätzlich einen Mann bedroht, bevor er seine Tat ausführen konnte. Es gibt somit einen Zeugen. Dumm nur, dass dieser bis auf die ungefähre Statur und zahlreiche eigene Blessuren sehr wenig zu berichten weiß. Sind die Ermittlungen also schon bevor der Fall erneut aufgerollt wird, wieder zum Scheitern verurteilt? Woher kannte der Täter die Frau? In welchem Zusammenhang steht dieser Fall mit den vorherigen und warum taucht er ausgerechnet jetzt wieder auf? Fragen über Fragen und mittendrin ist Elias, dessen Leben seit den damaligen Geschehnissen auf anderen Wegen verläuft, da sie ihn den Job in der Mordkommission gekostet haben und ihn, vor allem die Bilder von damals, nie wieder losgelassen haben.
Ja, ich glaube so kann man es grob zusammenfassen, ohne wirklich viel von diesem Fall zu erzählen, denn gefühlt ist auch hier jeder Hinweis ein Spoiler. Und auch wenn das nun alles schon recht spannend normal (für einen Thriller) klingt, so muss ich sagen, gibt es hier Wendungen und gerade durch das betroffene Paar, dass sich so sehnlichst ein Kind wünscht und dadurch auf vieles verzichten muss, weitere Verstrickungen und und und in dieser Form alles außer Standard ist. Aber auch dieses Buch hat so seine Höhen und Tiefen – so muss man es leider sagen, denn schon nach den ersten 50 bis 100 Seiten war ich kurz davor diesen Thriller wieder wegzulegen. Es gibt immer mal wieder so spannende Einwürfe, die sich ein paar Seiten lang halten, aber mit dem Sprung zu einer anderen Perspektive/ zu einereinem anderen Protagonistin, sofort wieder verloren gehen und dann so ein bisschen ins Langweilige abdriften. Dieser Erzählungswechsel zwischen Linda (der Partnerin des bedrohten Mannes), Noah (ihrem Freund) und dem Ermittler Elias, der in seiner Vergangenheit auch so einiges verbockt hat und natürlich vor einigen Jahren schon einmal mit dem Fall des Ringfinger-Mörders zutun hatte und über Umwege nun auch Teil des aktuellen Ermittler-Teams ist, hat mich an manchen Stellen so genervt, aber an den überlappenden Stellen auch so begeistert. Gerade Lindas Perspektive habe ich stellenweise nur noch überflogen, Noahs ähnlich und Elias hat mich quasi durch das Buch gerettet bis dann alles mehr aufeinander aufbaut und die Spannung erhalten bleibt. Und dafür bin ich ihm dann tatsächlich sehr dankbar, denn am Ende kommt hier so einiges zusammen, die Spannung schwappt über, eins führt zum anderen, zu etwas noch größerem und dann hat mich dieser Thriller gleich auf mehreren Ebenen begeistern können… aber bis dahin ist auch ein weiter Weg. Leider darf ich nun wenig über den besten Teil bzw. die Auflösung selbst verraten, aber damit hatte ich nur bedingt gerechnet, dachte zwischenzeitlich die ganze Geschichte würde sich in eine komplett andere Richtung entwickeln und dann hat die Falle plötzlich zugeschlagen und die letzten 100 – 150 Seiten haben mich voll und ganz in Beschlag genommen. Ob dies nun so wie es geschildert wurde möglich erscheint oder doch recht konstruiert, sei mal so dahingestellt, für mich ist jeder Krimi in irgendeiner Form etwas abstrus, aber wie Faber am Ende alle Stricke zusammenführt, das ist schon ganz gut und spannend. Also alles in allem eine gute Unterhaltung mit etwas Ausbaupotenzial.
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Henri Faber – Ausweglos.
dtv.
496 Seiten. 11,95 Euro. Klappbroschur.
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