Unsichtbar und rot – Leinsee von Anne Reinecke

Leinsee von Anne Reinecke ist für mich ein Buch, welches die zwischenmenschliche Abhängigkeit thematisiert, ein Stückchen Heimat ist und im Rahmen der Kunst die kindliche Unvoreingenommenheit und den kreativen Entdeckergeist neu entfacht.

“Er hatte sich Versöhnung vorgestellt. Tränen. Lachen. Frieden. Pflaumen. Aber schon in der Vorstellung war ihm klar gewesen, dass es nicht so kommen würde.”

Karl hatte kein einfaches Leben als Sohn des Glamourpaars der Kunstszene. Sie wollten ihm ein möglichst normales Leben, außerhalb ihrer Berühmtheit, ermöglichen und gaben ihn schon früh unter einem anderen Namen in ein Internat. Doch aus der gut gemeinten Unabhängigkeit wurde schnell Distanz und Vernachlässigung. Ein bisschen hinterhergeblieben scheint Karl nun mit Mara in Berlin sein eigenes Leben zu leben und sich selbst einen Namen als Künstler zu machen. Doch er muss zurück nach Hause, in seine Heimat am Leinsee.
Harzfiguren hatten seine Eltern August und Ada Stiegenhauer berühmt gemacht, doch jetzt? Sein Vater erhängte sich, während seine Mutter sich einer komplexe Gehirnoperation unterzog, überlebte und nun nicht mehr sie selbst ist. Für die Presse ein nahezu gefundenes Fressen, für Karl eine Konfrontation mit seiner ungewollten Vergangenheit. Leinsee wird nicht nur für ihn, sondern auch für seine Beziehung eine Belastungsprobe und dann ist da noch Tanja, das Kind aus der Nachbarschaft, das immer mal wieder auftaucht, verschwindet und einen unglaublichen Bann auf Karl ausübt.

“Er wollte hierhergehören. Das hatte er schon immer gewollt. Er wollte dem merkwürdigen Kind beim Wachsen zusehen und ihm absurdes Zeug in den Baum hängen.”

Von “Kanarienvogelgelb und silbern” bis “Taubenblau”. Kunst liegt stets im Auge des Betrachters. Manches mag man auf den ersten Blick. Doch, wenn man genauer guckt oder die Intention dahinter kennen lernt oder zu verstehen versucht, missfällt es. So ging es mir leider mit Leinsee. Dank zahlreicher Schwärmereien, dem interessanten Klappentext und dem Anfang, habe ich hier sehr viel erwartet, aber Reinecke schafft es nicht, mich bis zum Ende zu begeistern und das volle Potenzial auszuschöpfen. Was sich zu Beginn noch als vielversprechend, künstlerisch versierter Roman präsentierte, driftete immer weiter in Richtung Kindergarten mit negativ behafteter “Alice im Wunderland – Teeparty” und anschließender Liebesduselei ab. Das Spiel mit den Farben und der mir aufkommende Gedanke vom (Übrig-)Bleiben und daraus Neues erschaffen gefiel mehr sehr, für alles andere gehörte ich hier wahrscheinlich nicht zur Zielgruppe.

“Das war natürlich völlig absurd, nüchtern betrachtet, aber Karl fühlte sich nicht nüchtern, Karl fühlte sich falsch und durchsichtig.”

 

Anne Reinecke – Leinsee
Diogenes Verlag.
368 Seiten. 24 Euro. Hardcover.

 

18. März 2018

No Comments

Leave a Reply

You Might Also Like