“Vom Land” – ein faszinierender Roman über einen Hof, eine Familie, ihre Geschichten und das unausweichliche Schicksal

Wer mich kennt, weiß, dass ich ursprünglich aus einer ländlicheren Region komme. Meine Großeltern wohnen nach wie vor auf dem Dorf und daher habe ich auch an so Natur-, Land-,Dorfgeschichten meine Freude. “Mittagsstunde” von Dörte Hansen hat mich im letzten Jahr in diesem Punkt sehr getroffen und durch den beschriebenen ‘Strukturwandel’ wieder so ein bisschen Wehmut hervorgeholt. Irgendwie macht es mich nach wie vor auch etwas traurig, die Dörfer so nach und nach aussterben zu sehen, während sich die Menschheit in den Großstädten tummelt und sich über hohe Mieten beschwert… aber gut, das ist nun wieder ein anderes Thema. Vor kurzem habe ich Dominik Bartas Debütroman “Vom Land” gelesen. Wie der Titel es bereits verrät, spielt die Geschichte in einer etwas ruhigen Gegend, eher vorstädtisch, aber schon recht ähnlich und ja, diese Geschichte hat mich tatsächlich abgeholt, teilweise begeistern können, aber irgendwie auch so ein kleines bisschen enttäuscht. Ich erzähle euch mal warum…

Theresa und Erwin sind ein eingespieltes Team. Seit etwa vierzig gemeinsamen Ehejahren bewirtschaften sie nun gemeinsam den Hof. Ihre drei Kinder hatten alle eigene Pläne und haben sich sehr früh vom Hof losgesagt. Nicht toll, aber es lief irgendwie. Doch eines Tages gerät dann plötzlich alles ins Wanken. Die um die sechzig Jahre alte Bäuerin fühlt sich krank. Alles Gegessene bleibt kaum in ihr und auch sonst scheint sie immer schwächer zu werden. Irgendwann stellt sie auch das Sprechen ein und verkriecht sich auf dem Sofa vor dem Kamin. Ihr Mann steht dem eher hilflos gegenüber. Er schickt Theresa zum Arzt, geht mit ihr zu einem Heiler, doch nichts bringt den Erfolg, den er sich wünscht – eine funktionierende Frau an seiner Seite, die ihm hilft, den Garten vorbereitet, sich um die Ferkel kümmert und eben auch um ihn. Er ruft die Kinder herbei, doch alle bleiben ratlos. Keiner weiß so wirklich was ihre Mutter hat, scheinbar nicht mal sie selbst…

“Der Arzt hatte keine ungewöhnlichen Symptome festgestellt. Über ein mögliches Virus wüsste sie spätestens nächste Woche Bescheid. Sie erinnerte sich an das Sonnenlicht, das die Praxis des Arztes geflutet hatte und beruhigte sich. Je länger Theresa über den Obstgarten sah […] oder sich in den Schwarz- und Violett-Tönen des Himmels verlor, desto ruhiger wurde ihre Atmung. Desto fester wuchs die Einsicht: Ich bin nicht krank. Mir fehlt eigentlich nichts.”

Doch es bleibt wie es ist. Es geht ihr nicht gut, sie braucht eine Auszeit und so müssen Erwin und ihre Kinder dann einfach mal lernen ohne Theresa auskommen. Und das bringt dann tatsächlich so einiges ins Rollen.

Es ist so eine Geschichte zwischen Eintönigkeit, Begegnungen und Neuanfang mit einem doch recht unerwarteten Ausgang. Zunächst fand ich diesen Roman sehr erfrischend und real. Barta widmet sich einer ganz anderen Generation, ihren Problemen und Leben. Früher war die Ehe noch eher eine Pflichtveranstaltung und die Paare haben erst nach und nach zueinander gefunden, gearbeitet und das Leben bestritten. Auch dass die Kinder ihre eigenen Wege gehen und das Alte, Traditionelle eher unbeachtet bleibt, hat er großartig beschrieben und bis etwa zur Hälfte war ich von dieser Geschichte mehr als begeistert. Auch die Unruhen bzw. Flüchtlingsthemen der heutigen Zeit finden Einfluss und wirbeln alles noch einmal neu auf. Es geht so ein bisschen um Freundschaft und Abneigungen, doch gerade da war mir Barta zwischenzeitlich einfach zu erfinderisch. Das realistische Bild wurde von einer eher abstrusen Flüchtlingsgeschichte und Fremdenhass abgelöst und fand erst gegen Ende wieder zurück und endete in Zukunftsperspektive und Drama zugleich. Gerade die letzten Seiten lassen einen überrascht und ratlos zurück. Es ist nicht gerade das, was man erwartet hat und doch scheint es nach mehrmaligem Durchdenken der einzige Ausweg gewesen zu sein. So und nicht anders und daher ist es ein durch und durch kluges, starkes, berührendes, ruhiges bis dramatisches Debüt, das gerade durch seine Kürze noch einmal enorm an Bedeutung und Aussagekraft gewinnt. Und doch hat mich der wohl etwas spannend angehauchte Mittelteil vom Weg abkommen lassen oder bauen Flüchtlinge tatsächlich Baumhäuser im Wald und verstecken sich dort vor der Polizei? Und dieser Hund… nun ja. Ich weiß nicht, also dieser Ausflug war mir persönlich etwas zu fiktiv und abgedreht, aber vielleicht ist so etwas in Österreich tatsächlich schon einmal passiert und damit doch so real wie alles andere?!
Ansonsten hat Barta mich sehr an meine Großeltern und ihre Geschichten erinnert. Er umreißt sehr klar und bildhaft das ehemalige Treiben ‘zuhause’, den Wandel der heutigen Zeit, diese Unruhen zwischen eher Unbekannten, aber auch geliebten Menschen aus dem direkten Umfeld und der Suche nach einem Ausweg. Das ist jetzt nur ein Teil der Handlung, denn tatsächlich enthält diese Geschichte noch so viel mehr, was es es zu entdecken, hinterfragen und zu durchdenken gilt. Und… ja, ich hab es nun schon zahlreich erwähnt… bis auf diese Flüchtlingsgeschichte… ein sehr, sehr toller und lesenswerter Roman, der zwischen diesen ganzen fiktiven Romanzen und Coming-of-Age-Romanen heraussticht.

Dominik Barta – Vom Land.
Zsolnay.
176 Seiten. 18 Euro. Hardcover.

13. Februar 2020

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