Abenteuer in den Dolomiten – eine bewegende Vater-Kind-Geschichte aus Italien

Was haltet ihr so zwischendrin von einer ruhigeren und doch sehr bewegenden Geschichte? In diesem Fall geht es nach Italien, denn gerade italienische Romane sind, wie ich finde, in puncto ruhige, beeindruckende Naturbeschreibungen und menschlichen Beziehungen ganz groß… oder an wem ging “Acht Berge” von Paolo Cognetti vorbei? Ähnlich verhält es sich mit den Romanen von Matteo Righetto. Das Fell des Bären habe ich damals unglaublich gerne gelesen. Es war eine sehr leise, unaufgeregte Geschichte mit einer bewegenden Vater-Sohn-Beziehung. Vor zwei Jahren starb die Mutter des 12-jährigen Domenico. Sein Vater ist eigentlich ein sehr mürrischer Geselle und Außenseiter des Dorfes und daher die Bindung zwischen beiden auch eher schwierig. Eines Tages geht der Vater allerdings eine Wette ein, dass er den herumstreunenden Bären in den Dolomiten erlegen wird. Doch dies macht er nicht alleine, denn sein Sohn soll ihn bei diesem Abenteuer begleiten und damit lernen sie sich von einer ganz anderen Seite kennen, bis sie dann eines Tages dem Bären direkt gegenüberstehen und alles ganz anders kommt als erwartet.

Ähnlich verhält es sich nun mit Die Seele des Monte Pavione. Es ist das Pendant bzw. eine Vater-Tochter-Geschichte, die sich zum Ende des 19. Jahrhunderts in den Dolomiten abspielt. Augusto de Boet und seine Familie leben in dem kleinen Bergdorf Nevade in der Nähe der Grenze zu Österreich. Tabak ist ihr Leben, zumindest versuchen sie damit ihren Lebensunterhalt in den Bergen zu bestreiten. Doch dies ist ist dank der Inspektoren der Regia dei Tabacchi ein sehr schwieriges Unterfangen. Die 5-Köpfige Familie ist auf den illegalen Handel angewiesen und so versuchen sie jedes Jahr einige Kilo der getrockneten Tabakblätter über die Grenze zu schmuggeln und gegen Lebensmittel zu tauschen. Eines Tages nimmt Augusto seine Tochter Jole mit auf den Weg über den Monte Pavione. Alles geht gut und sie kommen mit einigen Kupfer- und Silberbarren zurück, die die Familie nun ein ganzes Jahr über Wasser halten sollen.
Zwei Jahre später muss Jole den beschwerlichen Weg alleine in Angriff nehmen. Ihr Vater kehrt von einer vorherigen Schmuggeltour nicht mehr zurück; eventuell kam er um oder wurde von den bewaffneten Grenzwachen festgenommen. Die Familie muss seit her ums Überleben kämpfen und Hunger leiden. Jole will nun selbst ihr Glück in Österreich probieren. Auf ihrer Reise trifft sie auf durchtriebene Schmuggler, Menschen, die wie sie, ihr Leben in den Bergen verbringen und macht eine beängstigende Entdeckung. Auch im österreichischen Ort werden Gerüchte über ihren Vater laut, denen sie zunächst nicht trauen will, aber nach und nach wird gerade das Schlimmste zur Gewissheit und damit steigt auch die Angst. Die Angst um ihr Leben.

 

“Weißt du, ein guter Schmuggler ist wie der Wind. Das ist es, was du lernen musst: Man darf dich nicht sehen, darf dich nicht greifen können, und du musst ständig bereit sein, eine andere Richtung einzuschlagen.”

 

An dieser Stelle könnte ich schwärmen. Matteo Righetto hat es auch diesem recht kurzen Roman geschafft, mich in die italienische Berglandschaft zu entführen. Righetto ist für mich ähnlich stark wie Cognetti oder Davies, denn sie alle sind in ihren Worten sehr unaufgeregt, klar bis reduziert und doch schwingen stets diese beeindruckenden Landschaftsbilder, ganz intime menschliche Beziehungen, Freundschaften und Nähe mit. In Righettos Romanen spielt der Aufbruch und die Beziehung zwischen dem Vater und den Kindern eine sehr große Rolle. Es ist eine Entwicklung, die ihre Beziehung auf eine neue Ebene bringt und ganz anders ausgeht als ursprünglich erwartet. Vergleichend muss ich an dieser Stelle allerdings erwähnen, dass Das Fell des Bären womöglich die etwas ‘schönere’ und plausiblere Geschichte von beiden enthält. Ohne jetzt zu sehr ins Detail gehen zu wollen… Die Wendung in Righettos neuen Roman war zwar toll, aber mir persönlich etwas zu fraglich. Und auch wenn man es bereits im Vorfeld geahnt hat, so war es dann doch so überraschend banal, dass der restliche Verlauf der Geschichte und die damit verbundene Aufdröselung etwas darunter gelitten hat. Das klingt jetzt wahrscheinlich schlimmer als es wiederum ist und gerade weil 160 bzw. 240 Seiten für einen Roman nicht sonderlich viel sind, finde ich sie beide doch sehr intensiv – ruhig, aber dafür ganz besonders.

 

“Denk immer dran, Jole: Der Kampf ums Überleben dauert ein Leben lang, sterben jedoch kannst du in einem Moment.”

 

Matteo Righetto – Das Fell des Bären//Die Seele des Monte Pavione
Aus dem Italienischen von Bruno Genzler.
Blessing.
240 Seiten. 16 bzw. 20 Euro. Hardcover.

20. Juli 2019

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