Fantasy | Albrecht Selge, “Luyánta [und] das Jahr in der Unselben Welt”

Ab und zu liebe ich es mal etwas ganz anderes zu lesen, in andere Welten abzutauchen, mich auf Neues einzulassen… und gerade hierfür versuche ich immer mal wieder entsprechend tolle Fantasyromane oder Geschichten mit einem Hauch Aberglauben, alten Geister und Sagen zu finden. Die Wintertrilogie von Kathrine Arden fand ich z.B. großartig oder Gusel Jachinas “Wolgakinder” oder “Mr. Parnassus Heim für magisch Begabte” und so stieß ich dann irgendwie auch auf Albrecht Selges “Luyánta”.

Die Ausgangslage ist so ein bisschen mit Narnia vergleichbar. Die zwölfjährige Jolantha befindet sich mit ihrer Familie im Bergsteiger-Urlaub. Sie macht einen recht anstrengenden Eindruck, leicht dickköpfig und energisch, teilweise entfernt sie sich von der Familie und geht den Aufstieg allein, bis sie dann eines Nachts von Pfiffen geleitet die Wandershütte und die gekennzeichneten Pfade verlässt. Dabei trifft sie auf die verzweifelt nach ihr rufenden Murmeltiere Paminer und Struggles, die sie anschließend in die Unselbe Welt entführen. Jolantha, in der sie die einst verschollene Prinzessin Luyánta sehen, soll ihnen helfen den Krieg der Fanesleute gegen das Heer des grausamen Adlerprinzen zu gewinnen. Doch sie kämpft nicht nur gegen ihn, sondern auch gegen die dämonischen Kräfte, die alles ins Unheil stürzen sollen. Auf ihrem Weg findet sie einige Unterstützer*innen, begibt sich auf die abenteuerliche Suche nach den unfehlbaren Pfeilen und dem Weißen Schwert und tritt dann entschlossen dem großen Fein entgegen. Doch wie weit wird sie wirklich gehen und welchen Preis ist sie bereit dafür zu zahlen?

“Wir wissen, wer du bist, Luyánta”, sagte der Greis Titurel. “Das Mitleid ist ein Teil deiner Kraft. Versuche nicht, es abzuschütteln. Denn sonst wist u dich in eine taube, entsetzliche Kampfmaschine verwandeln. So, wie es dem Adlerprinzen ergangen ist.” Eine Weile war nur das Knacken und Prasseln des Feuers und ihr Atem zu hören. Dann erst fasst Luyánta sich ein Herz und flüsterte: “Wer ist der Adlerprinz?”<

Anfangs dachte ich noch “Das wird ein toller Ritt” und freute mich auf ein fantastisches Abenteuer in der Unselben Welt, doch meine Reise war dann doch schon recht früh wieder vorbei. Gerade einmal hundert Seiten habe ich gelesen und dann wollte ich einfach nicht mehr, denn weder das Erzählte erschien mit logisch, noch baute sich da ein gewisses Interesse für die Geschichte auf, und wenn ich dann mal wirklich etwas wissen wollte kam recht schnell eine Aussage wie: “Na gut. Aber die Vorgeschichte lass ich weg. Aufstieg und Fall des Fanesreichs, eine glorreiche und todtraurige Angelegenheit. Na, das kennst du wahrscheinlich selbst am besten. Und wenn nicht, dann ist vielleicht ein andermal Zeit. Ist ja nicht Erzähltherapie hier oder Stuhlkreis mit Märchenquatschen, verstehst du, was ich meine?” Und ehrlich gesagt, nein, ich habe es nicht verstanden, denn sind es nicht genau die mystischen, ausgeschmückten Geschichten, die die Leser*innen in eine fremde Welt entführen sollen? Und das zwölfjährige, anstrengende Mädchen Jolantha alias Prinzessin Luyánta, bei deren Aussagen ich mich stets fragte: “Und die soll wirklich erst zwölf Jahre alt sein?”, wird die Rettung bringen? Wirklich? Und sollen diese zwei Murmeltiere, die die Ausdrücke “Alter” und “Digger” recht inflationär gebrauchen und deren Dialoge für mich recht unangenehm sind, wirklich die Begleiter in die ‘andere Welt’ sein, die sich nur ein Fußmarsch entfernt auf der anderen Seite des Berges befindet und von einer starken, dunklen Macht bedroht wird?

“Sind sie so bösartig – die Trussaner?” […] “Noch bösartiger […] Denn sie haben jahrhundertelang nichts anderes als Böses getrieben. Darum sind auch ihre Herzen zu Kohle geworden. Früher, in den Zeiten des alten Fanesreichs, war das anders. Da waren sie auch schon Gesindel, lästige Räuber. Nichts als Ärger haben sie gemacht. Aber sie waren doch Menschen. Bruder, Jahrhunderte der Bosheit verwandeln einen!”

Vielleicht merkt man das schon an diesem kurzen Zitat, dass trotz Bedrohung weder Gefühl noch Begeisterung überspringt und wenn dann auch der Rest nicht so ganz stimmig ist, hat es eine knapp 780 seitige Geschichte wirklich schwer. Ich hätte dieses Buch wirklich gerne gemocht, da ich Albrecht Selges Roman “Fliegen” wahnsinnig toll fand, aber “Beethovn” empfand ich dann auch schon sehr speziell und für diesen Ausflug ins Fantasiereich kann ich leider keine Empfehlung aussprechen, weder sprachlich, noch von Seiten der Protagonist*innen und Randfiguren, geschweige denn von der Geschichte selbst. Vielleicht bin ich aber auch einfach zu alt für diesen Roman und diese Umgangsformen oder aber ich lese einfach viel zu wenig Fantasy, sodass ich diese Erzählung mehr schätzen könnte.

___

Albrecht Selge – Luyánta
Rowohlt Berlin.
780 Seiten. 25 Euro. Hardcover.

2. Juni 2022

No Comments

Leave a Reply

You Might Also Like