Dora, wie Sigmund Freud sie in seiner Hysterie-Analyse betitelte, gilt als eine der bekanntesten Patientinnen des 20. Jahrhunderts. Vielleicht weil gerade dieser Fall für die damalige Zeit so überraschend anders war und für sehr viel Faszination und Aufmerksamkeit sorgte. Vielleicht aber auch, weil Doras Leben nicht gerade einfach war.
Katharina Adler widmet nun der Geschichte ihrer jüdischen Urgroßmutter Ida Adler einen Roman, der das Leben einer ganz besonderen Frau porträtiert. Aufgrund ihrer als Kind unerklärlichen, ständigen Erkrankungen, schickten sie ihre Eltern zu dem damals hoch gelobten Sigmund Freud auf Kur. Alle anderen Ärzte konnten ihr einfach nicht helfen, ihre immer wieder aussetzende Stimme und andere Probleme zu heilen. Freud stellte mit seiner Psychoanalyse für die damalige Zeit einen neuartigen, vielversprechenden Ansatz dar…
“Sie musste sich anhören, wie er ihr unterstellte, sie halte wegen des Papas alle Männer für geschlechtskrank, also auch den Herrn Zellenka, und bringe damit wiederum ihren Ausfluss in Verbindung.” “Ob Schachtel oder Schlüssel, alles wurde ihm zum Genital. Und der Bahnhof diene dem >Verkehre<.”
Aufgrund dieser dann doch recht fraglichen Therapiemethode war Ida, alias Dora, dann auch die erste, die eine Kur bei Freud abgebrochen hat. Aus dem jungen, eher pflichtbewussten, und artigen Mädchen, wird eine sehr unbequeme, mutige Frau. Sie wird Anhängerin der sozialistischen Partei, wird Ehefrau und Mutter und eröffnet ihre eigene Bridge-Stube und muss aufgrund ihrer jüdischen Wurzeln und Parteizugehörigkeit nicht nur einmal die Flucht antreten.
“‘Glaub mir’, Ida hob die Hand vors Gesicht, ‘wenn ich etwas die letzten Jahre gelernt habe, dann, wie man sich unsichtbar macht.'”
Am Ende muss ich nun leider sagen, dass ich gar nicht so genau weiß, was ich zu diesem Buch eigentlich noch sagen soll. Aufgrund des Klappentextes hatte ich eine sehr intensive Auseinandersetzung mit der Freudschen Theorie, fernab, des fachlichen “Blablablas” seiner selbst, erwartet. (Wer selbst schon einmal in den Genuss einer Psychotherapie gekommen ist oder sich sogar mit Freud und seinen Theorien beschäftigt hat, weiß vielleicht was ich meine.) Ida, die bekannte Frau, die als eine der wenigen, die vorzeitig eine Kur bei Freud beendete und danach ihr Leben entdeckt… Naja, ganz so war es dann irgendwie doch nicht. Das Hauptaugenmerk lag dann auf viel mehr und zeigte einen viel größeren Ausschnitt aus ihrem Leben – von Kindheit über Freud, dem Sozialismus bis hin zu ihrer Flucht in die USA. Dieses dabei Tagebuchartige ohne direkt Tagebucheinträge zu enthalten gefiel mir sehr. Es sind Lebensphasen von 1892 bis 1945, die hier in einem faszinierenden Wechsel das Leben der Ida Adler mit ihren Höhen und Tiefen darstellen. “Ida ist ein Plädoyer für die Wahrheit der Empfindung und die Vielfalt ihrer Versionen, ein […] Lebensroman, in den sich ein halbes Jahrhundert mit seinen Verwerfungen eingeschrieben hat.”, heißt es und umso länger ich darüber nachdenke, umso mehr fasst es diesen Roman ganz gut zusammen. Für Menschen mit Historien/Freud/Biografie-Faible sicherlich ein nettes Buch, aber allen, die hier einen emotional mitreißenden Roman erwarten, würde ich eher davon abraten.
“Wo geht es zum Ausgang, zum Ausgang müssen wir, oder gibt es nur einen Eingang, einen Eingang, aus dem wir hinausmüssen?”
Katharina Adler – Ida
Rowohlt.
512 Seiten. 25 Euro. Hardcover.
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