Von Abschied, Liebe und Erinnerung – der neue Seethaler

Mit Das Feld beschäftigt sich Robert Seethaler dieses Mal mehr oder minder mit dem Tod bzw. mit den Stimmen auf dem Friedhof. Ein Mann kann sie nämlich hören, nicht unbedingt immer verstehen, was sie sagen, aber er nimmt sie wahr. “Er malte sich aus, wie es wäre, wenn jede der Stimmen noch einmal Gelegenheit bekäme, gehört zu werden. Natürlich würden sie vom Leben sprechen.[…] Aber vielleicht hatten die Toten gar kein Interesse an den Dingen, die hinter ihnen lagen.”

Und so erfahren wir auch als Leser ihre Geschichte, ihr Ableben, ihre Gedanken und noch viel mehr. Einige ihrer Geschichten greifen ineinander über. Wir erfahren von Liebschaften, Geschichten von den Stärkeren und Schwachen, den Gläubigen und wie der Pfarrer starb, einen Nachfolger fand und die Kirche im Ort brannte. Jeder der Dahingegangenen hat so seine eigenen Dinge und Anekdoten, die ihm wichtig erscheinen und die er mitteilen möchte …

 

“Ich sammelte Käfer, Fliegen und andere Insekten. Ich versuchte sie lebendig zu fangen und steckte sie in eine kleine Metalldose. Wenn man die Dose ans Ohr hielt, konnte man ihnen beim Sterben zuhören. Dann trockneten sie langsam aus und wurden hart wie Kieselsteine.” – Gerd Ingerland

oder,

“Es könnte Krieg geben. Es gibt immer irgendwo Krieg, also warum nicht auch hier. Irgendwo sitzt immer irgendein Verrückter an einem Knopf und spielt daran herum. Und immer dauert es eine Weile, bis man erkennt, dass er verrückt ist.” – Herm Leydicke

oder,

“Idioten.” – Sophie Breyer

oder.

 

Es ist eine recht ungewöhnliche Art sich in dieser Form mit dem Tod auseinanderzusetzen. Mit den Leben hinter den Namen, die als letzte Erinnerung auf einem Feld, Park oder Ähnlichem ruhen. Sehr ruhig, teils tiefgründig und emotional, manchmal auch recht störrisch, scheinen die Menschen und ihre Geschichten. Seethaler schafft es wirklich jedem eine Identität zu geben, ohne sich auch nur ansatzweise zu wiederholen. Ich kann es gar nicht genau in Worte packen. Es ist wie eine Horde Menschen, die alle etwas erzählen wollen und unterschiedlicher nicht sein könnten. Und das nicht wild durcheinander plappernd, sondern einzeln und der Reihe nach in Buchform. Das Einzige was merkbar war ist, dass es nach und nach ein gewisses Gefühl der Traurigkeit und Deprimiertheit erzeugte. Und am Ende weiß man, alles Menschliche ist vergänglich, nur die Erinnerung bleibt.

 

“Im Garten sitzt ein kleiner Junge vor seinem Radio. Er hört ein Lied und beginnt zu weinen. Er wimmert und schluchzt. Nicht weil das Lied so traurg ist. Er wimmert und schluchzt, weil es bald vorbei sein wird.” – K.P.Lindow

 

Mich selbst konnte Seethaler mit diesem Buch leider nicht allzu sehr begeistern. Auch wenn ich die Idee hinter der Geschichte fast schon großartig finde, fehlte es mir einfach an Tiefe, an Ausdruck und einer genauen Aussage. Schade.

 

Robert Seethaler – Das Feld
Hanser.
240 Seiten. 22 Euro. Hardcover.

 

Durch eine Testleseaktion von thalia.de und Hanser durfte ich bereits vorab den neuen Roman von Robert Seethaler “Das Feld” lesen. Vielen Dank an dieser Stelle!

 

Photo by Peter Bucks

4. Juni 2018

1 Comment

  • Reply Der Abschied eines Meisters der Erzählungen | booksandnotes 11. Juli 2018 at 15:57

    […] Sedaris zurückdenken. Inhaltlich hingegen möchte ich es all denen ans Herz legen, die wie ich mit dem letzten Seethaler vielleicht nicht ganz so viel anfangen konnten und sich auch mal für melancholische Geschichten […]

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