David Sedaris, ein Name, mit dem ich bisher noch nicht allzu viel anfangen konnte, doch das Buch “Wer’s findet, dem gehört’s – Meine Tagebücher und ich” hatte irgendwie sofort meine Aufmerksamkeit. Vielleicht lag es wie so häufig an dem recht aufmerksamkeitsstarken Cover. Vielleicht, aber auch einfach an dem Titel und meiner generellen Faszination für Menschen. Sedaris, so musste ich feststellen, ist jedenfalls ein sehr interessanter Mensch. Ich könnte nun beinahe das ganze Buch zitieren, um auf seine recht direkte Art und Ansichten zu belegen, doch irgendwie ginge dann der Sinn des Buches, welches unbedingt gelesen werden möchte, verloren. Hierzu muss man sagen, “dass es sich um meine (Sedaris) Textauswahl handelt. Von grob acht Millionen Wörtern, die ich seit dem 5. September 1977 per Hand oder Maschine in mein Tagebuch geschrieben habe, ist hier nur ein kleiner Teil wiedergegeben.” Und damit ist es der erste Band seines notierten Lebens von 1977 bis 2002 gemeint, der in diesem Buch zutragen kommt. Thematisiert werden nicht nur alltägliche Beobachtungen. Neben seinem eigenen Alkohol- und Drogenkonsum, Existenznot und Aufs und Abs seines Lebens geht es hier um ganz viel persönliche Offenheit. Vielleicht auch ein Hauch Distanziertheit zu sich selbst.
“13.Januar 1986 – Chicago
Ich versuche, so wenig Geld wie möglich auszugeben. Ohne Einkünfte bleibt mir nichts anderes übrig, also habe ich heute […] ein Stück Fiesta-seife gekauft, die furchtbar ist, aber nur 20 Cent kostet. Ich habe mich gestern Abend damit gewaschen und rieche noch heute wie einer dieser Duftsteine in den Pissoirs an der Tankstelle.”
Es erinnerte mich ein bisschen an “Stadt der Feen und Wünsche” von Leander Steinkopf, nur in kürzer bzw. auf einzelne, kleine Abschnitte je Tag komprimiert ohne den Eindruck einer Geschichte zu erwecken. Alle Einträge funktionieren super einzeln, dennoch durchlaufen sie einen roten Faden und bilden das Leben des David Sedaris, komplett ungeschönt, direkt und persönlich ab. Sedaris selbst geht nicht einmal davon aus, dass man es von Anfang bis Ende lesen sollte und vergleicht es bereits im Vorwort mit einem College-Jahrbuch oder eine Witzesammlung, nur dass es sich hier eben um einzelne Tage handelt. Es ist so herrlich nüchtern, bewusst, so real. Er selbst beschreibt es einmal ganz schön mit einem Zitat aus der Village Voice am 15. März 1991 “Der aus North Carolina stammende David Sedaris liest aus seinen verschrobenen, urkomischen Geschichten und Tagebüchern, beißende Sozialsatire, gemildert durch einen klaren Blick für die Komik menschlichen Verhaltens.” Gut, das Vorlesen muss man sich in diesem Fall nun denken.
Ich für meinen Teil mochte dieses Buch sehr. Außerdem, hier ein Einschub meiner Gedanken, fehlt auf Seite 266 die Seitenzahl, dies macht sie irgendwie existent und dann auch wieder nicht. Ich fragte mich sogar eine ganze Weile ob dies Absicht sei oder einfach nur ein blöder Zufall und man musste irgendwo in dieser Ausgabe Zahlen einsparen. Man weiß es nicht, aber auch das passt irgendwie hervorragend zu diesem Buch eines Überlebenskünstlers.
“13.September 1998 – La Bagotiere
… Die Lehrerin möchte einen Text über die Zukunft, etwas in der Art von “Eines Tages werde ich reich und berühmt sein”. Aber das ist Kinderkram. Stattdessen schrieb ich: “Eines Tages werde ich sehr alt sein und in einem Pflegeheim leben. Ohne Zähne, kahlköpfig und verschrumpelt werde ich jede Nacht dreimal wach werden und mithilfe einer Pflegerin zur Toilette gehen. Ich werde nur noch Haferschleim essen und einmal im Monat in lauwarmem, trüben Wasser baden…”
Und doch hab ich es an einem Stück gelesen bzw. im zweiten Abschnitt oftmals hin und her und wieder zurück geblättert und mich stets gut unterhalten gefühlt. Nun möchte ich mehr und bin gespannt, was der gute Herr, denn sonst noch so fabriziert hat. Ich hab ihn dann jetzt gefunden.
P.s. Den englischen Titel “Theft by Finding” finde ich irgendwie in diesem Fall nicht nur schöner, sondern auch treffender, aber das ist dann auch wieder nur meine Meinung.
David Sedaris – Wer’s findet, dem gehört’s
aus dem Amerikanischen von Georg Deggerich.
Blessing Verlag.
608 Seiten. 25 Euro. Hardcover.
Vielen Dank an Blessing für das Leseexemplar.
1 Comment
[…] viel sagen… es schrie förmlich nach mir. Gefühlstechnisch habe ich dieses Buch oft mit den Tagebuchenträgen von David Sedaris in Verbindung gebracht. Man frage mich nicht warum, aber irgendwie musste ich beim Lesen ständig […]