wilde geschöpfe

“Berlin für Anfänger” – Amy Liptrots Jahr in der Hauptstadt

Es gibt Bücher an die ich immer mal wieder gerne zurückdenke. “Nachtlichter” von Amy Liptrot gehört eindeutig dazu. Die Orkneyinseln – ihr Rettungsanker. Nach etwa zehn Jahren Alkoholsucht kehrt Amy Liptrot zurück an den Ort ihrer Kindheit im Norden Schottlands. Hier lernt sie das Leben im Einklang mit der Natur (wieder) zu schätzen. Amy lässt ihre wilden Eskapaden hinter sich, kämpft mit sich und findet endlich wieder zur Ruhe. Sie arbeitet als Vogelwärterin, schwimmt im Meer, beobachtet Seevögel, lernt Flora und Fauna der abgelegenen Region kennen und begibt sich auf die Suche nach den Nordlichtern. Es ist ein so ansteckender, herunterfahrender Roman, den ich zwar nicht auf Anhieb mochte, aber mit etwas Abstand immer bedeutungsvoller und faszinierender fand und mittlerweile sehr liebe.

“Ich bin nicht auf der Suche nach Sex oder Drogen, ich suche nach einer Art Vervollständigung. Es ist heilsam, sich an die guten wie an die schlechten Zeilen zu erinnern. Ich bin froh, dass ich immer noch in unterschiedliche Umgebungen eintauchen kann: die Stadt, die Inseln, an Land und unter Wasser.”

In “Wilde Geschöpfe” erzählt sie nun von ihrem Jahr und ihren Entdeckungen in Berlin. Amy hat Orkney hinter sich gelassen, lebt zunächst in einer WG in Kreuzberg. Sie erkundet die Straßen, Nachtclubs und Parks der Hauptstadt. Es geht ums Ankommen, Eingewöhnen, Verlieben. Sie fühlt sich, wie so viele andere, “unverbunden, überflüssig, gewichtslos”, immer auf der Suche. In diesem Buch durchstreift sie ihre Gedanken- und Gefühlswelt, behandelt aktuelle Themen, berichtet von Beobachtungen und Erlebnissen; ihren Anfängen und der Jobsuche. Auch die Tierwelt streift hier ihren Weg, Zugvögel, Habichte und Waschbären – die Wildnis der Großstadt. Es ist eine Mischung aus Leichtigkeit, den großen Themen des Lebens in anbetracht der heutgen Zeit und der fast schon essentiellen Suche nach Menschlichkeit und Nähe, die dieses Buch zu einem guten Begleiter, gerade auch für junge Erwachsene, machen. Ich bin ihr gerne gefolgt und gerade nach der Verfilmung von “The Outrun” ist dies eine mehr als tolle Weiterführung und Ergänzung, sowie Anstoß für eigene Gedanken, mutige Erlebnisse und (Lebens-)Veränderungen.

“Ich habe mein Leben verändert, auch wenn es schwer und Furcht einflößend war. Ich bin stolz darauf. Ich bin in ein neues Land gekommen, habe neue Freunde und Arbeit gefunden. […] Ich lerne die Sprache, ich bin fast ausgelastet, habe ein Leben und einen geordneten Tagesablauf, während ich im ersten Monat völlig verloren war. Als ich in der Straße ankomme, die sich allmählich wie zu Hause anfühlt, macht sich die beglückende Erkenntnis in mir breit, dass ich – egal, wen ich auf den Dating-Seiten noch treffe oder nicht treffe – es bereits geschafft habe.”

Amy Liptrot – Wilde Geschöpfe.
Aus dem Englischen von Bettina Münch.
btb Verlag.
202 Seiten. 23 Euro. Hardcover.

14. Dezember 2024

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