Was macht ein Trauma mit einem Menschen? Menschen, die für andere in den Krieg ziehen, eine ganze Nation beschützen sollen oder im Ausland Dienste leisten, Unvorstellbares sehen, womöglich dem Tod oftmals viel zu nahe kommen? Wie kann man diesen Szenen entkommen? Wie all das Erlebte an sich einfach so abprallen lassen? Wahrscheinlich gar nicht. Helene Bukowski spürt in ihrem Roman “Die Kriegerin” eben jenen Fragen nach und beschäftigt sich mit der inneren und äußerlichen Verletzlichkeit.
Ihre beiden Protagonistinnen kennen sich seit der Grundausbildung bei der Bundeswehr. Dort wollen sie lernen stark zu sein, sich verteidigen zu können, einen Panzer aufzubauen, gar unverwundbar zu sein. Doch als Lisbeth von einem Feldwebel bedrängt wird, zieht sie sich zurück, muss sich erneut ihrer Verwundbarkeit stellen, die sie seit ihrer Kindheit plagt, und gibt ihre Zukunft auf. Sie versucht sich erneut ein Leben, dieses Mal als Floristin, aufzubauen, gründet eine Familie und scheint einen Weg gefunden zu haben, angekommen zu sein. Doch eines Tages bricht sie auch aus dieser Rolle aus, flieht an die Ostsee; das heilende Meer und Rauschen, das ihr schon früher immer geholfen hat. Doch hier trifft sie nach den vielen Jahren, die bereits vergangen sind, auch auf ihre alte Freundin, die Kriegerin. Die einstigen Momente der Vertrautheit und Anziehung sind zunächst noch da, aber auch sie weichen langsam. Aggressivität, Reizbarkeit, Wut und Angst machen sich breit und ihre Körper werden zur Angriffsfläche. “Mein Körper ist wund vom Hass […] Ich habe das Gefühl, dass mir das Licht abhandengekommen ist.” – Auch die Kriegerin lassen ihre Erlebnisse vom Krieg in Afghanistan kaum noch los. Auch sie wird verfolgt. Auch sie befindet sich auf der Flucht und erneut auf der Suche nach Schutz. Doch wohin, wenn man den Geschehnissen der Vergangenheit nicht mehr ausweichen kann? Wohin, wenn sich plötzlich alles wie eine große, pulsierende Wunde im Körper anfühlt, die nach und nach Besitz von dir ergreift?
“Wer wird verstehen, was ich hier erlebe, was es mit mir macht, wer ich dadurch wurde? Das meiste, was bei einem solchen Einsatz passiert, wird in Deutschland ausgeblendet. Nur die richtig schlimmen Sachen schaffen es in die Nachrichten, wie die Gefechte, bei denen Soldaten fallen oder wenn mehr als fünf Zivilisten unter den Opfern waren. […] Ich dachte, ich komme stark aus diesem Einsatz zurück […], aber stattdessen merke ich, wie ich immer brüchiger werde, wie ich kurz davor bin, die Hand zurückzuziehen. Wie lange schaffe ich es nicht, mich zusammenzuhalten?”
Dieser Roman ist gespickt mit vielen Fragen und Kontrasten. Eine Floristin. Eine Soldatin, die Kriegerin. Das aufbrausende Meer und die endlose Freiheit. Ein Aufenthalt auf einem Kreuzfahrtschiff. Genaustens geplante Tage und Abläufe, unerwartete Pausen. Blumen, die gleichzeitig Freude und irgendwie auch Tod bedeuten Aufreißende Haut, schützende Panzer. Stärke und Schwäche. Das alles wirkt so ein bisschen wie ein Moodboard mit zahlreichen Schlagworten und verschiedensten Bildern und doch gelingt es Bukowski fast schon mühelos diese zu einer Geschichte zu verweben, die tief in das menschliche Sein blicken lässt. Ihre beiden Protagonistinnen wählten einmal den gleichen Werdegang und doch entwickelten sie sich, aufgrund verschiedenster Erlebnisse und Übergriffigkeiten in komplett andere Richtungen. Lisbeth, die schon jeher Probleme mit ihrem eigenen ‘Schutzpanzer’ hat, wirkt ständig von der Unruhe und Fluchtgedanken getrieben – nach Sicherheit suchend. Ihre Freundin, etwas zäher und selbstsicherer, sorgt an der Front für eben jenen Schutz und doch bekommt auch ihre Welt und Standfestigkeit langsam Risse bis sie die Bilder nicht mehr so einfach abschütteln kann und auch sie Halt sucht.
Für mich ist es ein ganz besonderes Bild, das dieser Roman in Verbindung mit dem Krieg und Militär aufzeigt. Wie geht man mit den Folgeerscheinungen um? Was macht das Erlebte mit einem Menschen? Das sind so Fragen, die oftmals einfach viel zu kurz kommen, viel zu wenig im öffentlichen Diskurs stattfinden und vielleicht auch gar nicht ins Bewusstsein der unbeteiligten Bevölkerung dringen (sollen). Die Armee ist in der Wahrnehmung meistens nur so eine Masse, ohne, dass das Individuum noch Beachtung findet. Und wenn man dann noch zwischen Mann und Frau, Rangkämpfen und Ego unterscheiden soll, wird es nochmal etwas schwieriger. Beim Lesen merkt man daher auch, zumindest ging es mir so, wie wenig man eigentlich davon weiß, was so ein Auslandeinsatz eigentlich bedeutet und welche Folgen er für Soldatinnen und Soldaten hat. Bukowski widmet sich hier bewusst dem Schicksal zweier Frauen, eher ruhig und unaufgeregt und dennoch teilweise sehr eindringlich und intensiv. Mit einer Präzision, die wie beim Aufbrechen eine Blüte, sich langsam und mit jedem weiteren Blatt, Schicht für Schicht dem Innersten nähert und damit einen Blick auf den Schmerz, Wunden und das zu Verdrängende freigibt, nähert sie sich dem Körper und der Psyche ihrer Protagonistinnen. So ist es dann auch ein besonderes Buch über Traumata, psychisch und physische Belastungen, sowie Gewalt und der steten Suchen nach Stärke und Sicherheit. Aber, und das mag ich sehr gern daran, Bukowksi erklärt nicht, lässt keine genauen Analysen zu und bewertet auch das Geschehene nicht. Sie schrammt quasi den Ursprung und lässt ihre Protagonistinnen ihren Weg finden und den Leser*innen den nötigen Freiraum damit umzugehen. Allerdings muss ich auch sagen, dass dieser Roman für mich auch so ein paar Schwächen hatte. Das große “Ohh” hat mir gefehlt und das Ende hat mich nicht ganz so glücklich gestimmt, aber vielleicht ist es auch gerade gut, denn eine übertriebene Szene oder ein spannungsgetriebener Plot könnte alles sofort ins Fragwürdige stürzen und das könnte den Betroffenen einfach nie gerecht werden.
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Helene Bukowski – Die Kriegerin.
Blumenbar.
250 Seiten. 23 Euro. Hardcover.
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