Im Sommer bin ich ein großer Fan von Reiseberichten und -romanen. Ich weiß gar nicht mal warum das so ist, aber ich liebe es von Herausforderungen, Reisen oder ‘einem neuen Leben’ zu lesen. Vielleicht liegt es einfach daran, dass ich selbst gar nicht mal so der Umherreiser und Erkunder bin (garade ja erst recht nicht) und andere für ihren Mut, einfach mal alles abzubrechen und irgendwo in ein neues Leben zu starten, bewundere oder weil es eher leichtere Kost mit sehr vielen schönen Beschreibungen und Erlebnissen ist. Ich selbst habe es ja immer noch einmal auf einen Roadtrip durch Europa abgesehen, aber wer weiß ob das wirklich mal was wird, zumal ich auch nicht so der Alleinreisende bin. Hmm, naja das erklärt das Phänomen eines Sommerbuches nun auch nicht, aber irgendwie wollte das gerade raus.
Rückblickend erinnere ich mich an drei sommerliche Lieblingsbücher: Journeyman von Fabian Sixtus Körner, sowie Frühstück mit Elefanten von Gesa Neitzel oder Nächsten Sommer von Edgar Rai. Alle drei hatten für mich etwas sehr bewegendes/begeisterndes und es hat mir sehr viel Spaß bereitet über ihre geschilderten Reisen und Ziele zu lesen.
Diesen Post möchte ich nun meinem diesjährigen Highlight in diesem Bereich widmen. Ich habe es jedenfalls schon gefunden und gelesen. Hierbei handelt es sich um den Nachfolger von Journeyman, auf den ich mich seit Entdeckung in der Verlagsvorschau von Ullstein, sehr gefreut habe. Mit anderen Augen – wie ich durch meine Tochter lernte, die Welt neu zu sehen von Fabian Sixtus Körner eine Biografie oder besser gesagt ein Lebensausschnitt, der wesentlich von der Geburt seiner Tochter Yanti geprägt wurde. Sie ist nämlich nicht dieses “normale” Bilderbuchkind wie es unsere heutige Gesellschaft gerne hätte …
“Downsyndrom ist, was es ist, und in den meisten Fällen nichts Schlechtes. Das eigentliche Problem sind wir, die das Privileg haben, ohne Auffälligkeiten und Behinderungen zur Welt zu kommen und durchs Leben zu gehen.”
Schon alleine diese Erkenntnis macht für mich dieses Buch zu etwas ganz Besonderem. Man könnte meinen Fabian würde mit beinahe jeder Herausforderung klar kommen, er hat sich schließlich beruflich wie privat schon ganz anderen Dingen gestellt. Selbst als seine Frau schwanger war und sie in Berlin ‘sesshaft’ sein mussten, begab er sich auf die Suche nach etwas Aufregendem, sich selbst Herausforderndem, doch die eigentliche Herausforderung stand den beiden erst noch bevor.
Wie geht man damit um, wenn sich bei der Geburt herausstellt, dass sein Kind eine Behinderung hat und sich das ganze Leben plötzlich umkrempelt? Dieses Buch handelt von der anfänglichen Wut, Trauer, Enttäuschung bis hin zu der Erkenntnis: “Wir haben einen kleinen Menschen geschenkt bekommen, der uns so wahnsinnig glücklich macht, vielleicht glücklicher als jedes normale Kind.” umrahmt vom unbeschwerten Leben und Surfen, über Krankenhausaufenthalte und dem neuen Alltag mit Yanti.
Es ist dieses Ineinandergleiten von Gefühlen, Gedanken, Erlebnissen und einfachen Berichten, die mich in diesem Fall sehr fasziniert haben. Es ist die gedankliche Entwicklung und das Meistern eines neuen, anfangs nicht einfachen ‘Problems’, welches sich zur schönsten Bereicherung des Lebens entwickelt. Die beiden zusätzlichen Bildstrecken zwischen den Kapiteln unterstützen die bildliche Greifbarkeit des Gelesenen und gerade damit baut Fabian eine starke Nähe zu den Lesern auf. Ein Tagebuch voller Gedanken und Erinnerungen quasi, das zusätzlich auch noch etwas Aufklärungsarbeit in Sachen Downsyndrom leistet und generelle Berührungsängste Unbeteiligter infrage stellt.
Desweiteren finde ich an dieser Stelle die optische Stringenz und Anlehnung an das Vorgängerbuch “Journeyman” erwähnenswert. Da alles vom Design über das Geschriebene und die Gedanken selbst aus einer Hand kommen, ist “mit anderen Augen” ein sehr persönliches Buch, das wörtlich und visuell ineinander greift und berührt. Umklammert wird dies vom Editiorial-Look des Covers, das bereits eine gewisse Freiheit, Unbeschwertheit und Harmonie erahnen lässt und neugierig auf die Geschichte und damit die Besonderheit der familiären Beziehung im Umgang mit dem Downsyndrom macht.
Mein einziger Kritikpunkt wäre, dass die Subline den Fokus auf die persönliche Entwicklung des Autors durch die Geburt und das Wachstum seiner Tochter lenkt, dafür inhaltlich allerdings das Thema “Reisen und Surfen” einen fast schon zu großen Bereich einnimmt. Hab ich was vergessen? Nein! Lieblingsbuch.
“Und auch, wenn die Bürde heute, an diesem Tag am Strand, dieselbe ist, hat sich der Ärger darüber innerhalb des letzten Jahres in Dankbarkeit verwandelt. Dankbarkeit darüber, dass meine Tochter gesund ist und dass sie mich fühlen lässt, wie ich es mittlerweile tue. In Yantis Gegenwart fühle ich mich frei – und stark, weil ich merke, wie wichtig ich ihr bin.”
Fabian Sixtus Körner – mit anderen Augen
Ullstein extra.
240 Seiten. 15 Euro. Paperback.
No Comments