Das Leben des Andreas Egger.

Ein ganzes Leben habe ich postalisch während meiner Reha im letzten Jahr geschenkt bekommen. Irgendwie bestand zu diesem Buch sofort eine Bindung und wahrscheinlich hätte ich es – sofern ich es im Buchladen gesehen hätte – auch selbst gekauft. Mir Bücher zu schenken ist ja immer so eine Sache für sich, auch wenn ich recht umfangreich lese, benötigt ein Buch stets eine Faszination meinerseits, die nicht nur optisch, sondern auch inhaltlich für mich wertvoll erscheint. Ich kann es nur schwer in Worte fassen, aber gerade die Situation und das Ganze drum herum, macht dieses Buch für mich zu etwas ganz Besonderem.

Bei Ein ganzes Leben von Robert Seethaler handelt es sich um ein sehr eigenes Buch. Man kann noch nicht Mal sagen, dass in diesem Roman wirklich viel passiert und doch ist er recht ausdrucksstark. Nach dem Tod seiner Mutter kam Andreas Egger mit etwa 4 Jahren (so ganz genau weiß man es nicht) in das Dorf am Fuße eines Berges, der ihn schon als Kind sehr faszinierte und nun sein ganzes Leben begleiten werde. Der Großbauer Hubert Kranzstocker nahm sich seiner an, aber betrachtete Egger nie als Kind, er hatte zu arbeiten und zu beten und geschlagen wurde – und das hatte Auswirkungen auf sein ganzes Leben.

 

 

“Er war stark, aber langsam. Er dachte langsam, sprach langsam und ging langsam, doch jeder Gedanke, jedes Wort und jeder Schritt hinterließen ihre Spuren, und zwar genau da, wo solche Spuren seiner Meinung nach hingehörten.”

 

Wir begleiten Egger durch seine schwersten und schönsten Stunden, Tage und Jahre seines Lebens. Knecht, Holzfäller, Seilbahnbauer, Grenzschützer… für rein nichts war er sich zu Schade und versuchte sich stets nützlich zu machen. Die Errichtung einer Seilbahn war für ihn dann knapp sein Lebenswerk. Er verliebte sich, nicht nur in die Berge und blieb dennoch irgendwie immer der einzigartige Eigenprödler, der eine Hürde nach der anderen erklomm, bis die Kraft fern blieb.

 

“Die kalte Frau […] Sie geht über den Berg und schleicht durchs Tal. Sie kommt, wann sie will, und holt sich, was sie braucht. Sie hat kein Gesicht und keine Stimme. Die Kalte Frau kommt und nimmt und geht. […] Im Vorbeigehen packt sie dich und nimmt dich mit und steckt dich in irgendein Loch.”

 

Eigentlich traurig, dass ein komplettes Leben auf gerade einmal 180 Seiten Platz findet. Seethaler bleibt inhaltlich wie sprachlich auf einer Ebene, was dem Ganzen nicht unbedingt einen Abbruch tut, aber irgendwie auch schade ist. Gerade als Egger die zweite Frau in seinem Leben kennenlernt, beginnt es tiefgründiger zu werden, aber dies ist innerhalb kürzester Zeit auch wieder verflogen. Egger – ein sehr eigener Mensch, mit vielen Steinen auf dem Weg seines Lebens und einer großen Liebe für seine Frau und einer noch größeren für diesen einen Berg. Von der Art her finde ich diesen Roman großartig, aber ob man ihn unbedingt gelesen haben muss, sei mal dahingestellt.

 

“Man kann einem Mann seine Stunden abkaufen, man kann ihm seine Tage stehlen oder ihm sein ganzes Leben rauben. Aber niemand kann einem Mann auch nur einen einzigen Augenblick nehmen. So ist das, und jetzt lass mich in Frieden!”

 

Ein ganzes Leben – Robert Seethaler
Goldmann Verlag.
192 Seiten. 9,99 Euro. Taschenbuch.

 

 

Photo by Shabnam Bakhshaliyeva

13. Februar 2018

No Comments

Leave a Reply

You Might Also Like