Ein ganz leises Abenteuer – “West” von Carys Davies

Ach, ich weiß nicht. Momentan liebe ich kurze Geschichten, Erzählungen, Gedankenreiches und irgendwie spielt da für mich auch West von Carys Davies mit rein. Es ist eine sehr kurzweilige Geschichte, locker, leicht und doch ergreifend vielschichtig. Davies nimmt uns mit in ein vergessenes Land. Eine Gegend aus der die Indianer vor kurzem erst vertrieben wurden und mittendrin lebt ein Mann mit einem Traum…

1815. Pennsylvania. Der Maultierzüchter John Cyrus Ballman findet keine Ruhe mehr, als er in der Zeitung von der Entdeckung riesiger Knochen liest. Das könnten die Monster sein, die ihn einfach nicht mehr loslassen. Er will sie sehen. Er will nach Westen.
Ein jeder, der im Ort von seiner Idee hört, hält ihn für verrückt, einen Dummkopf nennen sie ihn, aber er lässt sich einfach nicht beirren. Er ist bereit alles für seinen Traum aufzugeben und so bringt er auch das größte Opfer und lässt seine Tochter Bess zurück. Er gibt die 12-Jährige in die Obhut der eher ruppig, harschen Tante und verspricht ihr, bald wieder daheim zu sein… doch alles verläuft ganz anders als erwartet.

 

“Ich kann dir nur eins sagen, […] für mich sind sie real. Ich will auf dieser Welt nur noch das eine, ich will nach Westen reiten und sie finden.”

 

Vielleicht lässt die Umschlaggestaltung und der Klappentext etwas anderes erwarten, denn alle die sich nun nach einer aufregenden Abenteuergeschichte mit reichlich detaillierten Naturbeschreibungen und spannenden Begegnungen sehnen, sind mit ‘West’ wahrscheinlich eher schlecht beraten. Zwar lässt sich der Protagonist auf ein zweijähriges Abenteuer quer durch Amerika ein, um seinen Sehnsüchten zu folgen, doch der Fokus liegt hier ganz klar auf anderen Dingen. Es ist eine eher ruhige Geschichte, die trotz schemenhafter Protagonisten und einem ausbaufähigen Kontext, sehr viel Zwischenmenschlichkeit, Abhängigkeit, Wut, Enttäuschung, Verletzlichkeit aber auch Vertrauen enthält. Ein Kleinod, das an Cognetti, Saucier oder Righetto erinnert, denn es sind die leisen Worte, die hier eine enorme Weite entfalten und berühren, ohne aufdringlich zu sein. Natürlich könnte man sich abschließend fragen, warum Davies nicht auf weitere Begegnungen mit den Indianern und den Tieren eingeht, vielleicht hätte sie damit sogar noch viel mehr aus ihrer Idee herausholen können, aber für mich war es gerade so genau richtig. Insgesamt ist der Roman etwas kurz und luftig gesetzt, aber er enthält eine feine Geschichte, die sehr viel Luft zum Denken lässt und gleichzeitig auf die eigenen Wünsche, Sehnsüchte, Verirrungen anspielt. Der Mensch braucht Mut zum Glauben, denn gerade dieser motiviert uns weiter zu machen und uns zu vertrauen, auch wenn sie sich ab und zu als Irrwege entpuppen und alles entreißen. Es Bedarf allerdings auch Vertrauen in die Meinung anderer, derer die uns leiten und irgendwie auch zusammenhalten. Und dann bleibt mir nur noch zu sagen…

 

“Ich bin John Cyrus Bellman, und dies ist mein Leben. Es ist nicht, was ich erwartet habe, aber bitte sehr, so ist es jetzt.”

 

WEST – Carys Davies
aus dem Englischen von Eva Bonné.
Luchterhand.
204 Seiten. 20 Euro. Hardcover.

1. August 2019

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