Und plötzlich ist sie tot – wenn ein Kriminalroman zur Wirklichkeit wird

Ein Kopenhagenthriller wie er wortwörtlich im Manuskript steht. “Krokodilwächter” von Katrine Engberg aus dem Diogenes Verlag hat mich einige Zeit durch den November begleitet (ja, ich bin etwas spät dran). Er ist der Auftaktroman einer neuen Serie und lässt wirklich alle Türen offen, aber dazu später mehr. Worum geht’s?

Julie ist Anfang 20 und vor einiger Zeit in die Kopenhagener Innenstadt gezogen. Gemeinsam mit ihrer Mitbewohnerin lebt sie hier in einem recht ruhigen Apartmenthaus. Die Eigentümerin Ester de Laurenti wohnt selbst dort, ist bereits Rentnerin und bekommt gelegentlich Hilfe von dem jungen Gesangslehrer Kristoffer. Alles klingt total harmonisch. Jedoch stolpert der alte Gregers eines Tages über die Leiche der jungen Frau aus der ersten Etage. Das Besondere: sie wurde nicht nur brutal erstochen, sondern auch ihr makelloses Gesicht wurde kleinlich genau mit einigen gezielten Schnitten versehen. Ein mörderisches Kunstwerk, könnte man meinen.

 

“Im Moment unseres Todes machen wir irgendjemandem Arbeit. Wer war die junge Frau, die hier gerade vom Boden gekratzt und in Tüten gesteckt wurde? Warum war ausgerechnet sie daran gehindert worden, Karriere zu machen, zu heiraten, Kinder zu bekommen?”

 

Polizeiassistent Jeppe Korner und seine Kollegin Anette Werner sind die beiden Ermittler in diesem Fall. Ihre anfänglichen Verdächtigungen führen allerdings recht schnell ins Leere, denn auch ihr Hauptverdächtiger wird bereits nach kürzester Zeit tot aufgefunden und bringt das ganze Spiel aus kuriosen Zusammenhängen ins Rollen. Auch die schwächliche Ester de Laurenti ist an dem Schauspiel nicht ganz unschuldig. Denn ausgerechnet ihre Idee eines Kriminalromans ist real geworden und soll auch ihr selbst bald zum Verhängnis werden.

 

“Ich habe Julie gewählt, weil sie mir ähnlich war, ich habe sie ermordet, weil das zu meiner Idee passte. Wer wusste, dass es in dem Buch um sie ging?”

 

“Krokodilwächter” gehört für mich eher in die Ecke der leichten Thriller und müsste ich dieses Buch in einem Wort beschreiben … Nett. Es ist kein packender, spannungsgeladener Thriller, wie man es bei dem Wort “Thriller” vielleicht erwarten würde. Katrine Engberg nimmt uns mit in eine Art Verfilmung eines Manuskripts. Die einzelnen Charaktere finde ich in diesem Fall so wunderbar verschroben und recht eigen, sympathisch. Bereits die beiden Ermittler könnten unterschiedlicher nicht sein. Jeppe ist eher der ruhigere, bedächtige Typ, der so einen kleinen Spleen mit Keimen und Bakterien hat und sich selbst oftmals etwas zu viel zumutet. Anette hingegen ist eher aufbrausend, hat gerne die Zügel in der Hand und legt sich gefühlt recht schnell fest. Auch Ester und der alte Gregers sind beide total aufmüpfig, eigen, vielleicht auch etwas seltsam und doch total niedlich in ihrem Wesen.
Und gerade diese Darstellung der Protagonisten, ihre Gedanken und Bedenken, macht dieses Buch aus. Die eigentliche Ermittlung wird in einzelne Tage aufgespalten. Hin und wieder werden die Kapitel von anderen textlichen Ausschnitten und Gefühlen des Täters/ des ursprünglichen Manuskripts begleitet. Der eigentliche Thriller ist in der Theorie gut durchdacht und interessant, spannend aufgebaut, aber es gibt keine großartig, spektakuläre Szenarien. Selbst das Ende gleicht eher einem Drama mit Happy End. So lässt mich dieses Buch dann auch mit recht gemischten Gefühlen zurück. Das mag vielleicht daran liegen, dass es sich hierbei um den Auftakt einer neuen Reihe handelt und diese nicht immer gleich hochgeladen, explosiv sind oder vielleicht ist es aber auch einfach die eher ruhigere Art mit Fokus auf die Charaktere die Katrine Engbergs Markenzeichen darstellen. Für den zweiten Teil, der bereits im Frühjahr 2019 erscheint ist somit noch alles offen und ja, irgendwie freue ich mich sogar darauf!

 

Katrine Engberg – Krokodilwächter
Aus dem Dänischen von Ulrich Sonnenberg.
Diogenes.
512 Seiten. 22 Euro. Hardcover.

 

//Leseexemplar. Vielen Dank an den Diogenes Verlag.

20. Dezember 2018

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